Im Steingarten ist eine solche Blütenpracht nicht zu sehen.

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Der Urlaub (erster Teil) ist vorbei, der Garten ruft. Gartengestaltung ist eine tolle Sache, weil es unendlich viele Gartenvarietäten gibt. Auf dem Land stets beliebt ist der arbeitssparende Elementargarten ohne Bäume, Blumen, Stauden und sonstigen Schnickschnack, nur mit einem Jägerzaun und einem Rasen, auf dem der Rasenroboter rund um die Uhr seine Runden dreht und dafür sorgt, dass nichts ins Kraut schießt und sich kein lästiges Kleingetier breitmacht.

Die verschärfte Variante davon ist der Steingarten. In dem können sich selbst notorische Freßsäcke wie Borkenkäfer und Buchsbaumzünsler, die in puncto Charme und Popularität nur wenig über dem Coronavirus rangieren, brausen gehen. Romantiker stehen mehr auf Zier- oder Rosengärten, oder, wie ich, auf Gärten, die den Prinzipien des Shabby Chic folgen.

Sie wissen natürlich, was Shabby Chic bedeutet. Verpönt ist in dieser Stilart das Glatte, Polierte, Blitzsaubere, Modische, das Gelackte und Geschleckte. Erwünscht ist das Überstandige, Abgerockte, Angeranzte, Eingerostete, Bemooste und gepflegt Grindige von anno dazumal, und zwar je dazumaler, desto besser.

Fälschungsgefahr

Shabby Chic ist nichts Neues. In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es zum Beispiel jede Menge Studenten-WGs in Wien, deren Bewohnern man, bevor der Begriff überhaupt erfunden war, in Sachen Shabby Chic nichts vormachen konnte. Sie verstanden sich darauf, ihre WG-Räume blitzartig shabby chic zu machen: mit Trittspuren auf dem Parkett, Schmutzschlieren in der Badewanne, Brandlöchern, Fettflecken im Leintuch, zehn Zentimeter Lurch unter der Hapfen und, wieso auch nicht, einem gelegentlichen Eierwurf an die Wand. Das waren die wilden Jahre!

Bedarfsartikel für den Shabby- Chic-Garten – antiquarische Tontöpfe, rostige Metallgestelle, altmodische Liegestühle etc. – sind nicht billig, und vor allem herrscht enorme Fälschungsgefahr. Objekte mit vermeintlich original historischer Patina sind oft vor drei Wochen in einem Sweatshop in China produziert und von einem professionellen Abranzer beschmiert, besudelt, zerkratzt und verschmutzt worden, um den Anschein von altehrwürdigem Edelgrind zu erwecken.

Wer diese Gefahr umgehen will, sollte sich vielleicht doch eher für den traditionellen Gemüsegarten entscheiden, der dann jährlich auch noch eine Gurke und ein halbes Kilo Paradeiser abwirft. (Christoph Winder, 19.7.2020)