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Mark Rutte, Premier der Niederlande und Anführer der "Sparsamen Vier".

Foto: John Thys, Pool Photo via AP

Die Chopin-Biografie habe er dieses Mal zu Hause gelassen, merkte Mark Rutte im Vorfeld des am Freitag gestarteten EU-Gipfels kokett an. Damit griff der niederländische Premier eine Anekdote auf, die ihm bis heute verübelt wird: Beim letzten Treffen der Staats- und Regierungschefs zum Thema Haushalt im Februar hatte er demonstrativ das Werk über den polnischen Komponisten als Lektüre mitgebracht, um seine niedrigen Erwartungen zu unterstreichen.

Inmitten des Dramas um den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft, in dem Rutte eine der Hauptfiguren darstellt, war dies für viele eine bezeichnende Begebenheit. Für Ruttes Gegner, vor allem jene im Süden Europas, stellte sie die Arroganz des Niederländers im Speziellen und der reicheren Länder generell zur Schau. Der Hauch von Optimismus, den Rutte nun suggerierte, bezog sich zudem nur auf eines der beiden großen Themen des Sondergipfels: In puncto Finanzrahmen bis 2027 erschien eine Einigung noch eher in Griffweite als beim Ringen um das milliardenschwere Corona-Hilfspaket.

Der 53-Jährige führt den Widerstand gegen den ursprünglich deutsch-französischen Rettungsplan an. Zwar vertritt der Rechtsliberale, der einer protestantischen Unternehmerfamilie entstammt, keinen großen Mitgliedsstaat, sein Wort hat dennoch Gewicht.

Politisches Schwergewicht

Spätestens seitdem er im März 2017 den Rechtspopulisten Geert Wilders an den Urnen schlug, gilt der passionierte Klavierspieler EU-weit als politisches Schwergewicht.

Oftmals repräsentiert Rutte, der sich in Den Haag auch mittels versierten Taktierens seit einem Jahrzehnt an der Macht hält, nicht nur sein Land. Neben dem Bündnis mit Österreich, Dänemark und Schweden führt er auch eines aus nordischen Staaten plus Irland an, das sich gegen eine engere Integration Europas stemmt.

Auf das Schmieden von Allianzen ist Rutte in seinem Kampf für ein agileres und schlankeres Europa umso mehr angewiesen, als ihm mit dem Brexit ein ideologisch wichtiger Partner abhandengekommen ist. Sein Pochen auf die Einhaltung der Regeln hat ihm wiederum einige Feinde eingebracht – nicht nur im Süden, sondern auch im Osten.

Die Beharrlichkeit des Historikers zieht sich auch durch dessen Privatleben. Rutte fährt einen alten Saab, er ist seit seiner Studienzeit überzeugter Single und weigert sich, sein Nokia-Tastenhandy durch ein Smartphone zu ersetzen. (Anna Giulia Fink, 17.7.2020)