Es war einmal, und es war schön: Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée als Jean-Louis und Anne in Claude Lelouchs neuem Film mit historischem Bezug.

Foto: Polyfilm

Die Liebesgeschichte von Anne Gauthier und Jean-Louis Duroc haben viele Menschen vor allem im Ohr. Denn sie wurde von einer Melodie von Francis Lai begleitet, damals im Jahr 1966, in dem Film Ein Mann und eine Frau von Claude Lelouch. Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée spielten zwei schöne Menschen, die füreinander bestimmt waren, allerdings war die Liebe überschattet von dem Verlust ihrer früheren Partner.

Der Soundtrack von Francis Lai legte sich über die Bilder wie ein Baiser über einen sowieso schon reichlich süßen Kuchen. Und so gingen Anne und Jean-Louis in die Filmgeschichte ein, von vielen Kritikern zerrissen, vom Publikum geliebt. Mehr als fünfzig Jahre später kommt Claude Lelouch nun auf seinen größten Erfolg zurück. Er inszeniert in Die schönsten Jahre eines Lebens eine späte Wiederbegegnung zwischen Anne und Jean-Louis.

Damit wird zuerst einmal das offene Ende von damals geschlossen, denn Ein Mann und eine Frau endete auf einem Bahnsteig mit einem Kuss, der für einen Moment oder für die Ewigkeit sein konnte. Nun erfahren wir, dass daraus eine ganz normale Beziehung wurde, eine, die auch wieder in die Brüche ging. Sie hinterließ aber Spuren in der Erinnerung.

Gegensätze ziehen sich an

Dass es zu einer Wiederbegegnung kommt, liegt an Antoine, damals ein kleiner Junge, nun ein wohlhabender Mann in den besten Jahren. Er hat Mitleid mit seinem Vater, den er in ein sehr nobles Pflegeheim abgeschoben hat. Dort sitzt nun der bald neunzig Jahre alte Jean-Louis Trintignant im Garten und gibt eine gebrechliche Figur ab. Den früheren Gasfuß – er spielte seinerzeit einen Rennfahrer – kann er nur noch im Traum betätigen, in mehreren Szenen, die jedenfalls nicht zur Nachahmung empfohlen werden können. Anouk Aimée hingegen erweckt den Eindruck einer Frau, die noch sehr agil ist, und so wird sie auch im Film präsentiert, als Besitzerin eines Ladens, den sie nicht aufgeben will ("er ist meine Verbindung zum Leben"), als Großmutter und als Lenkerin einer Ente. Das altmodische Auto steht für einen Charakterzug Annes: "Ich bin treu."

Die alles überwindende Liebe

Als Anne sich Jean-Louis zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder nähert, fällt ihm zwar eine große Ähnlichkeit auf, aber er erkennt sie nicht. Das mag damit zu tun haben, dass er nicht nur körperlich, sondern auch geistig fragil ist. Er lernt Gedichte von Verlaine auswendig, um sein Gedächtnis fit zu halten, und er erinnert sich auch leicht an alles, was vor 50 Jahren war. Nur bei Anne entdeckt er zwar eine charakteristische Handbewegung, nicht aber sofort, wer sie eigentlich ist.

Dieser erzählerische Kunstgriff gibt Lelouch die Gelegenheit zu einem sanften Spiel mit den Motiven der Vergänglichkeit und der alles überwindenden Liebe. Er baut dabei auch immer wieder Szenen von damals ein, sodass sich die wehmütige Grundstimmung auch in der Textur des Films widerspiegelt.

Mit einer interessanten Dialogstelle geht er dabei sogar auf die Streitigkeiten der 60er-Jahre ein, als Lelouch nämlich vor allem von den Anhängern der Nouvelle Vague, also von den Fans von Godard, Truffaut oder Rivette, massiv angefeindet wurde. Der erste Film der Nouvelle Vague war Fahrraddiebe von Vittorio de Sica, sagt Antoine relativ zusammenhanglos an einer Stelle – man kann das so lesen, dass Lelouch gern die Filmgeschichte in seinem Sinn umschreiben würde.

Grausamer Beweis

Und in gewisser Weise gelingt ihm das mit Die schönsten Jahre ihres Lebens ja auch. In Michael Hanekes Liebe spielte Trintignant einen Mann, der seinem Lebensmenschen mit einem grausamen Beweis seiner Zuneigung einen letzten Dienst erweist.

Bei Lelouch darf Trintignant nun allmählich in einem Zustand zwischen Demenz und Traum hinwegdämmern, geborgen von einem Liebesideal, das seine Bekräftigung vor allem in der Nostalgie findet. (Bert Rebhandl, 21.7.2020)