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In Wien finden sich derzeit zahlreiche Antifa-Pickerln. Der Bahö-Verlag wirbt so für das Buch
"Antifa – Hundert Jahre Widerstand".

Foto: sum

Sein Telegram-Channel ist so etwas wie der Jahrmarkt der Verschwörungserzählungen. Das Angebot von Xavier Naidoo reicht von der angeblich lebensgefährlichen 5G-Strahlung über "Den Coronavirus gibt es nicht", die QAnon-Verschwörung bis hin zu Aliens, die "Playboy"-Models und US-Präsidenten klonen. Auch wirft der Sänger schon mal die Frage auf, ob George Floyd, der bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz in US-amerikanischen Minneapolis um sein Leben gekommen ist, nicht vielleicht doch noch lebt.

Ablenkung

Neuerdings hat Naidoo einen neuen "Lieblingsfeind": die Antifa. Also Aktivistinnen und Aktivisten, die auch US-Präsident Donald Trump als Gegner präsentiert, um sich nicht mit Polizeigewalt und Rassismus auseinandersetzen zu müssen. Er macht die Antifa für gewaltsame #Black-Lives-Matter-Proteste nach dem Tod von George Floyd verantwortlich und will sie als Terrororganisation einstufen lassen. Belege für seine Behauptungen liefert er nicht.

Der Historiker Mark Bray, der ein Buch zur Antifa-Bewegung geschrieben hat, sagte in US-Medien, dass Personen aus dem Antifa-Milieu an den Protesten beteiligt seien, die Bewegung habe aber weder Mitgliederlisten noch die Möglichkeit, in den gesamten USA Proteste anzufachen.

FPÖ fordert Verbot

Die Ansagen von Trump kommen offensichtlich auch bei der FPÖ an. Einige Freiheitliche forderten in den vergangenen Wochen immer wieder ein Verbot der Antifa. Dabei ist Antifaschismus eine Haltung, auch gehört das Bekenntnis dazu für die meisten österreichischen Parteien zum guten Ton.

Daneben gibt es noch die systemkritische, linksradikale Antifa, die mit ihren Recherchen, Protesten und Aktionismus Rechtextremisten und die FPÖ regelmäßig zur Weißglut bringt. Aber auch dabei handelt es sich nicht um eine einheitliche Organisation, sondern um eine inhomogene Szene, die die aktuellen Proteste gegen den gemeinsamen Auftritt von Corona-Leugnern, Impfgegnern und Rechtsextremisten maßgeblich trägt (und sich so den Zorn von Naidoo zugezogen hat.)

Neben den Aussagen von Trump geistern noch weitere Mythen über die Antifa durch das Netz, die von Rechtsextremisten ausgenutzt werden. Sie gaben sich auf Twitter als "Antifa" aus, um falsche, manipulative Nachrichten zu verbreiten, um dadurch die Black-Lives-Matter-Proteste zu befeuern und die Bewegung zu diskreditieren. Eine Vorgangsweise, die auch in Österreich und Deutschland zum Repertoire von Rechtsextremen (Marke "Neue Rechte") zählt.

ÖVP-Gemeinderat mit Gewehr und Munition

"Beliebt" ist auch die Erzählung, der Philanthrop und Investor George Soros finanziere die Antifa. Als Beleg tauchte dieser Tage ein Handbuch mit dem Titel "The Antifa Manual" auf, das ein Aktivist bei Ausschreitungen in Oregon verloren haben soll. Aus den Papieren gehe hervor, dass Ausschreitungen geplant gewesen und von dem Milliardär finanziert worden seien. Zusätzlich finden sich darin weitere Verschwörungsmythen, die von Rechtsradikalen über antifaschistische Gruppen verbreitet werden. Angeblich gebe es eine zentrale Organisation, die reichhaltig finanziert werde und eine Weltregierung anstrebe. "Offenkundig handelt es sich um eine Fälschung", urteilt die "Tagesschau". Sie reicht aber aus, um ein Feindbild aufzubauen.

Das zeigt der Fall eines ÖVP-Gemeinderats aus St. Peter am Hart im Innviertel. Er verlor vor wenigen Wochen seine Funktion, weil er auf seinem Facebook-Profil ein Bild gepostet hatte, das ihn mit Gewehr und Munition zeigt und unter anderem mit "Waiting for Antifa" betitelt ist. Er beschimpfte die Aktivisten auch als "Rattenpack". (sum, 29.7.2020)