Polizeikontrollen wie diese in Wien während des Lockdowns kostete manche Bürger bis zu 500 Euro. Nun sollen die Behörden in vielen Fällen das Geld zurückzahlen.

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Die Grünen wagen sich in der Causa immer weiter vor. Hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober erst vorsichtig eine "bürgerfreundliche Lösung" anvisiert, klingt die Ankündigung von Justizministerin Alma Zadić schon fast nach Versprechen: "Wenn etwas zu Unrecht verhängt wurde, das verfassungswidrig ist, dann wird es da natürlich eine Lösung geben", sagte sie im Interview mit Oe24. "Da wird es eine Zurückzahlung beziehungsweise Aufhebung geben."

Gemeint sind die Konsequenzen aus jenen Entscheidungen, die der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor einer Woche gefällt hat. Die Höchstrichter haben das allgemeine Betretungsverbot für öffentliche Orte, Herzstück der Lockdown-Regeln, für gesetzwidrig erklärt. Das wirft eine Frage auf: Sollen all jene, die wegen der aufgehobenen Verordnung Strafe bezahlt haben, ihr Geld zurückbekommen? Und wenn, wie?

Im Fall jener Bürger, deren Verwaltungsstrafverfahren wegen Beschwerde noch läuft, ist die Sache vergleichsweise einfach: Der VfGH hat verfügt, dass die Verordnung nicht mehr angewandt werden darf. Davon hat der Großteil der Betroffenen, der die Pönalen gehorsam ohne Einspruch bezahlt hat, aber erst einmal nichts. Vereinfacht gesagt gilt: Was liegt, das pickt. Eine automatische Rückzahlung ist in erledigten Fällen nicht vorgesehen.

Rückzahlung als organisatorischer Wahnsinn

Allerdings weisen Rechtsexperten auf einen Hebel hin: Behörde oder Minister könnten einen Bescheid aufheben, wenn durch diesen "das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist". Dieser Passus werde praktisch aber so gut wie nie angewendet, sagt der Anwalt und Rechtsprofessor Georg Eisenberger: "Der Verwaltungsaufwand ist enorm."

Sollen die zu Unrecht Bestraften keine Mühe haben, müssten die Ämter jeden einzelnen Akt sichten, jede einzelne Kontonummer herausfinden, um das Geld zu retournieren. In jenen Fällen, wo die Polizei auf kurzem Weg per Organstrafverfügung geringe Summen verhängt hat, werde das besonders schwierig. "Da werden oft die Leute selbst keinen Beleg mehr haben", vermutet Eisenberger: "Die Rückzahlung ist politisch wohl richtig, organisatorisch aber ein Wahnsinn. Da wird die Abwicklung mehr kosten, als die Strafen ausgemacht haben." Zur Dimension der Übung: Laut Innenministerium hat die Polizei bis Mitte Juni 35.000 Anzeigen verhängt.

Pannenhilfe ohne Panne

Gelegenheiten, für legistische Fehler geradezustehen, hätte die Republik schon in anderen Causen gehabt. So kam es vor, dass der VfGH Steuergesetze nach jahrelanger Anwendung gekippt hat – an Rückzahlung, die noch um ein Vielfaches aufwendiger gewesen wäre, dachte der Staat dennoch nicht. Wenn die Regierung nun einen Präzedenzfall setzt: Kann es sein, dass die Höchstrichter gleiches Recht in allen Fällen einfordern? Peter Bußjäger, Verfassungsprofessor an der Uni Innsbruck, bezweifelt das: Die Corona-Krise sei ein so außergewöhnlicher Fall, dass sich ebenso außergewöhnliche Schritte argumentieren ließen.

"Rechtlich hochsensibel" nennt Anschober die Angelegenheit, die Lösung ist noch nicht gefunden. Wie lange das dauern kann? Man wolle sich die nötige Zeit nehmen, heißt es aus dem Ministerium: um bei der Behebung einer juristischen Panne nicht gleich in die nächste zu schlittern. (Gerald John, 30.7.2020)