Ein Exekutivbeamter erhob aus eigenem Antrieb schwere Vorwürfe gegen einen streitbaren Plakatierer (Symbolfoto).

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Es sei "Zeit für Kritik" hatte ein Innsbrucker Bürger auf eines seiner Plakate geschrieben, die er Ende April ins Schaufenster seines leerstehenden Geschäfts hängte. Eine Auffassung, die offenbar nicht alle Passanten teilten.

Für einen vorbeispazierenden Polizisten schien etwa nach der Lektüre die Zeit für eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft gekommen, wie damals der Blogger Markus Wilhelm publikmachte. Nun musste sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wegen einer parlamentarischen Anfrage mit dem Fall auseinandersetzen, denn die Anzeige des Beamten hatte es in sich. Dieser vermeinte in den krakeligen Zeilen den strafrechtlichen Verdacht auf Verhetzung zu erblicken – ein schwerer Vorwurf, denn der entsprechende Paragraf beinhaltet die Aufstachelung zu Gewalt gegen bestimmte Gruppen oder die Verletzung von deren Menschenwürde durch Beschimpfungen. Darauf stehen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Für diese Zeilen handelte sich ein Innsbrucker Probleme mit dem Staat ein.
Foto: Parlamentarische Anfrage

Doch Derartiges findet sich auf den Plakaten nirgends, bloß eine Collage polemischer Fragen an die in Tirol und Bund regierende ÖVP. Durch welche Textstellen konnte also der Polizist auf seinen gravierenden Verdacht kommen, wollte Neos-Abgeordneter Johannes Margreiter vom Innenminister wissen. Laut dessen Antwort sollen es besonders zwei Passagen gewesen sein, die dem Exekutivbeamten anstößig dünkten: In einer fragte der Plakatierer in Anspielung auf die von deutschen Urlaubern abhängige Tourismusindustrie, ob "ein ÖVP-nahes Netzwerk die unendliche Fortsetzung der Mitterer’schen Saga" garantiere. Zudem insinuierte er mehrdeutig: "Kur(z)s-Ziel: Austrofaschismus?".

Gewiss historisch unsachlich, aber Verhetzung? Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft sah davon keine Spur. Man habe kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, teilte sie auf Anfrage des STANDARD mit. Auf der Wachstube wäre nun wohl durchaus Zeit für Selbstkritik. (Theo Anders, 30.7.2020)