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Für RHI Magensita-CEO Stefan Borgas hat die Krise viele Impacts auf die Arbeit im Konzern.

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Die Auswirkungen der Krise sind auf vielen Ebenen spürbar", sagt Stefan Borgas, CEO des Feuerfestkonzerns RHI Magnesita. Und: "Sie haben gezeigt, dass wir bei der Digitalisierung schneller sein müssen." Daher habe man sich entschieden, das "Digital Flagship Plant" im Kärntner Radenthein schneller umzusetzen als ursprünglich geplant. Insgesamt werden in den nächsten zwei Jahren 50 Millionen Euro in eine hochmoderne Infrastruktur und umfassende Digitalisierung investiert. Die Modernisierung wird bei aufrechtem Betrieb – in Radenthein werden Feuerfestprodukte unter anderem für die Stahlindustrie hergestellt – durchgeführt. Eine "Operation am offenen Herzen", nennt es Borgas.

Rund die Hälfte der Investition geht in die Erhöhung der Kapazität, erklärte Borgas. Der Output werde auf über 100.000 Tonnen fast verdoppelt. Roboter werden künftig die Feuerfeststeine zwischen den Produktionsschritten weitertransportieren, eine Tätigkeit, die bisher manuell und mit Gabelstaplern ausgeführt wurde. Gefahrenquellen können dadurch minimiert werden. Bisher bestehende fünf Kontrollräume werden zu einem zusammengefasst. In einer nächsten Phase sei es auch denkbar, mehrere Werke von einem Kontrollraum aus zu steuern.

Neue Aufgaben

Der Mitarbeiterstand in Radenthein – aktuell rund 300, davon Corona-bedingt momentan 13 in Kurzarbeit, plus etwa 20 Zeitarbeiter – soll trotz Automatisierung gleich bleiben. Die Arbeit werde sich aber stark ändern, einfache Arbeitsplätze würden ersetzt. Daher werden auch knapp zwei Millionen der Investitionssumme in den Ausbildungshub fließen, wobei die Investitionen ineinandergreifen würden. Denn im Gegensatz zur "old-style industry", wo Modernisierungsprojekte "vorab am Reißbrett geplant wurden", wurde für das Werk in Radenthein ein digitaler Zwilling erstellt. In diesem virtuellen Werk könne nun jede Veränderung und ihre Folgen genau bedacht und geplant werden. Diese Technik bringe noch einen Vorteil: Auszubildende können künftig mit 3D-Brillen in der digitalen Fabrik üben.

"Die Krise hat uns aber auch gezeigt, dass wir nichts vorausplanen können, deshalb brauchen wir gut ausgebildete Mitarbeiter. Denn wenn alles volatil ist, müssen wir schneller werden beim Entscheiden", sagt Borgas. Daher werden am Ausbildungshub Radenthein auch neue Ausbildungswege ermöglicht. So werden ab Herbst auch Lehrlinge für den Beruf "Prozesstechnik" ausgebildet. Außerdem werden die Lehrlingsplätze von üblicherweise 30 bis 40 auf 60 Plätze aufgestockt. Geplant ist auch, Lehrlinge für die Standorte in Deutschland aufzunehmen und in Radenthein auszubilden. Derzeit läuft noch die Bewerbungsphase.

Duales Studium

In Kooperation mit der Fachhochschule Kärnten wird ab Herbst auch ein duales Studium angeboten. In einer viereinhalbjährigen Ausbildung erlangen die Absolventen zusätzlich zum Bachelor of Science in "System Engineering" noch die Lehrabschlüsse "Elektrotechnik: Anlagen- und Betriebstechnik" sowie "Prozesstechnik". Wichtiger als die genaue Bezeichnung der Abschlüsse – für Borgas ist dies überholtes Denken in Diplomschemata – sind aber die Möglichkeiten, die dieses Studium mit sich bringt. "Die Türen für eine internationale Karriere stehen Absolventen weit offen." Auch für diesen Ausbildungsweg läuft die Ausschreibung dafür noch. Wie viele Studierende aufgenommen werden können, hänge auch davon ab, wie viele Studienplätze an der FH dafür genehmigt werden. Längerfristig könne man sich aber durchaus vorstellen, dieses duale Studium anderen Firmen zu öffnen, ergänzt Borgas. Parallel zur Lehrlingsausbildung und zum Studium werden die Mitarbeiter in einem Qualifizierungsprogramm auf die kommenden Anforderungen vorbereitet.

Möglich sei die Operation am offenen Herzen auch, weil das Werk aktuell weniger ausgelastet sei. Im ersten Halbjahr sank der Umsatz beim Feuerfestkonzern weltweit um knapp 23 Prozent auf rund 1,2 Milliarden Euro. Mit einer beträchtlichen Finanzkraft von 1,1 Milliarden Euro sei der Konzern aber gut gerüstet, um Wachstumschancen zu nutzen, wenn sich Märkte verbessern. "Wenn wir jetzt Prozesse optimieren und in die Fertigkeiten unserer Mitarbeiter investieren, sind wir nach der Krise besser aufgestellt", ergänzt Borgas. Er rechnet damit, dass die Krise noch länger anhalten und RHI Magnesita erst in zwei Jahren wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen werde. (10.8.2020)