"Anders erfahre ich nicht, ob es bei uns einen Superspreader gab", sagt Heidemarie Zachauer-Flackl. In ihrem Gasthof werden sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wöchentlich getestet.

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Nicht einmal für alle Tourismusbetriebe von Wirtschaftskammerfunktionären scheint die türkis-grüne Teststrategie "Sichere Gastfreundschaft", bei der ab Juli wöchentlich 65.000 Tourismusmitarbeiter getestet werden sollten, praktikabel zu sein, wie Recherchen des STANDARD belegten. Dabei hat die Standesvertretung das Programm mit vier Partnerlaboren und dem US-Berateriesen McKinsey einst selbst aufgebaut.

Die Funktionäre argumentieren, dass die Tests freiwillig seien und man die Mitarbeiter nicht zwingen, sondern nur bitten könne, sich testen zu lassen. Ob diese das dann wirklich tun, liege im Ermessen jedes Einzelnen. Der Salzburger Spartenobmann Albert Ebner etwa macht bei dem Programm nicht mit.

Als "lupenreines Pharisäertum" bezeichnet Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn, dass sich Funktionäre aus dem Projekt verabschieden. "Das ist keine Teststrategie, sondern gar nichts", ärgert sich auch die niederösterreichische Neos-Landessprecherin Indra Collini.

Ein "nutzloses" Gütesiegel

Die SPÖ beklagt, dass das Test-Gütesiegel für teilnehmende Hotels "nutzlos" sei. Dem STANDARD wurden Betriebe genannt, die ein Zertifikat besitzen, deren Mitarbeiter aber nicht mehr wöchentlich getestet worden sein sollen. Einer davon gab dies zu – ihm sei die Hin- und Rückfahrt zum Test zu lange.

Auch der Vizeobmann der Tourismussparte der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, hält von dem Siegel nichts. Dieses sei zu wenig bekannt – wenngleich er kostenlose Tests prinzipiell positiv sieht. Ob sie angenommen werden, könne er aber nicht überprüfen, so Pulker, der sich selbst nicht testen ließ.

An anderer Stelle wird das Projekt gut angenommen. Die regelmäßigen Tests würden die Sicherheit im Gasthof erhöhen, sagt Heidemarie Zachauer-Flackl vom Gasthof Flackl im niederösterreichischen Reichenau an der Rax. "Anders erfahre ich nicht, ob es bei uns einen Superspreader gab." Sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treten in dem bei Sommerfrischlern und Seminarorganisatoren beliebten Betrieb einmal wöchentlich im Rahmen der Initiative "Sichere Gastfreundschaft" des Ministeriums zum Corona-Rachenabstrich an.

Dann kommen die Leute von der Novogenia GmbH im niederösterreichischen Strass mit ihrem Laborauto angefahren. In einem Seminarraum des Gasthofs werden Untersuchungskojen aufgebaut, die mit Schutzanzügen bekleideten Tester gehen ans Werk. Die Checkliste für den Untersuchungsablauf ist detailliert: vom "freien Parkplatz für unser Labor-Auto" über genug "Fläche vor dem Testraum zum Warten (für die Ein-Meter-Abstand-Regel)" hin zu "ausreichend Empfang im Testraum, um die elektronische Verarbeitung der Daten Vorort zu gewährleisten" sind eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen. Die Tests sind gratis, die Teilnahme freiwillig.

Die Testergebnisse werden den Untersuchten am nächsten Tag per SMS mitgeteilt. Im Gasthof Flackl waren sie bisher querdurch negativ. Was aber würde passieren, wenn es eines oder mehrere Positivergebnisse gibt? Dann müsse das Labor das Ergebnis ins Epidemiologische Meldesystem (EMS) einmelden, ist einem auf der Homepage der "Sichere Gastfreundschaft"-Aktion befindlichen Informationsschreiben zu entnehmen. Die zuständige Gesundheitsbehörde ordne "eine Isolierung der erkrankten Person an" und eruiere sowie informiere deren Kontaktpersonen. "Je nach Situation" werde eine Quarantäne angeordnet. Auch sei der infizierte Beschäftigte verpflichtet, "umgehend den Arbeitgeber zu informieren".

Keine zwingende Schließung

Zwingend geschlossen werden muss der Betrieb aber nicht: Das werde von der Bezirksverwaltungsbehörde nur dann angeordnet, "wenn durch einen betroffenen Betrieb eine außerordentliche Gefahr der Krankheitsausbreitung ausgeht", heißt es. Die Kriterien dafür sind nicht angeführt.

Beim Flackl-Wirt lassen sich auch Zachauer-Flackl und alle anderen Familienmitglieder testen, die nebst den Angestellten im Wirtshaus und Hotel tätig sind: "Der Abstrich ist nicht so unangenehm, dass man ihn nicht alle sieben Tage machen könnte", sagt die Co-Chefin des zurzeit gut besuchten Betriebs. Auch bei der Arbeit mit dem Gast versuche man, die Infektionsgefahr klein zu halten: Alle Kellner tragen Mund-Nasen-Schutz, meist ein durchsichtiges Schild. "Das haben wir so angeordnet", sagt Zachauer-Flackl. Dass das Corona-Risiko dadurch nicht ganz beseitigt werden kann, sei ihr klar, fügt sie hinzu. "Wenn es warm genug ist, halten wir die Türen geöffnet und sorgen für Durchzug. Aber das geht eben nicht immer." (Irene Brickner, Jan Michael Marchart, 8.8.2020)