Hunderte Teilnehmer protestierten am Mittwoch in Spielberg gegen die Schließung der Motorenproduktion

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Wien – Am Mittwoch machten sich bei ATB in Spielberg polnische Arbeiter zu schaffen. Ihr Auftrag war es, erste Anlagen in der Montage abzubauen. Die Belegschaft drohte der Werksleitung mit Klage und persönlicher Haftung, was die Demontage zumindest kurzzeitig stoppte.

Zwei Tage zuvor erhielten hunderte steirische Mitarbeiter des Motorenherstellers die Kündigung. Sie wurden einzeln zur Personalleitung zitiert, warteten bis zu sieben Stunden, bis sie vorgelassen wurden. Ein Arbeiter brach zusammen.

"Tiere auf der Weide werden besser behandelt", sagt Betriebsrat Michael Leitner, der seit Wochen für den Erhalt der Produktion kämpft, die unter dem chinesischen Eigentümer Wolong bis Jahresende nach Osteuropa verlagert werden soll.

Enttäuscht von der Politik

Hunderte Mitarbeiter und Menschen, die sich mit den Arbeitern solidarisch zeigen, marschierten gestern im und vor dem Betriebsgelände auf, um gegen den Verlust von 360 Arbeitsplätzen im Zuge der Insolvenz zu demonstrieren. Von der Bundespolitik fühlen sie sich gänzlich im Stich gelassen. Er habe vor vier Wochen auch mehrfach VP-Bundeskanzler Sebastian Kurz um Hilfe ersucht, erzählt Leitner. Eine Antwort habe er nie bekommen.

Neben der Belegschaft machen sich Investoren weiter für den Erhalt des Standorts stark. In einer Stellungnahme an das Landesgericht Leoben, die dem STANDARD vorliegt, übt die Hamburger Innovation Holding scharfe Kritik am Verwertungsprozess. Der geplante Verkauf der Maschinen an Wolong steht aus ihrer Sicht nicht nur im Widerspruch zu Gläubigerinteressen. Ihm drohe juristisch gesehen die Nichtigkeit. Ziel von Wolong sei es, die Tochter in Spielberg auszuhöhlen und keine Mitbewerber zuzulassen. Sich solcherart in Abhängigkeit der Schuldnerin zu begeben, könne weder zweckmäßig, noch im Sinne des Gesetzgebers sein, schreibt die HIH.

Gläubiger wollen Wolong

Die Deutschen hatten zuvor ein verbindliches Angebot in Höhe von neun Millionen Euro gelegt, inklusive einer Standortgarantie bis 2025. Sie versprachen, 400 Jobs zu halten. Am 18. August erfolgte nach eigenen Angaben der Finanzierungsnachweis "durch eine der größten Investmentgesellschaften Israels". Auch der frühere Eigentümer Mirko Kovats bietet sich als Retter an.

Im Gläubigerausschuss fielen die Stimmen jedoch klar gegen die beiden Interessenten und für den Verkauf der Maschinen und Anlagen an die ATB-Gruppe aus, betont Masseverwalter Gernot Prattes einmal mehr. Nicht zuletzt werde allen Gläubigern im Sanierungsplan eine Quote von 30 Prozent geboten.

Zeit gewinnen

Der Ball liegt derzeit beim Oberlandesgericht. Die Arbeiterkammer hat am Montag Rekurs gegen den Entscheid des Konkursrichters eingebracht, den Verkauf des Maschinenparks an Wolong zuzulassen. Die Belegschaft hofft, damit Zeit zu gewinnen. Geht der Rekurs durch, hat dies aufschiebende Wirkung. Solange das Oberlandesgericht keine Entscheidung fällt, darf die ATB jedoch nach eigenen Gutdünken mit den Anlagen verfahren, erläutert Prattes. Er rechnet mit der endgültigen Weichenstellung noch diese Woche.

Aktuell werden die Mitarbeiter täglich ins Werk beordert und an Ort und Stelle durchgezählt, sagt Leitner. Wer gebraucht wird, darf in der Produktion bleiben. Wer nicht, wird heimgeschickt. (Verena Kainrath, 27.8.2020)