Bauer aus einem Schachspiel, mittels Sprachrohr indoktriniert.

Foto: Belvedere Wien / Johannes Stoll

"Schrein mit Glied," von 1987 (re.) und daneben ein Schrein mit Loch, ohne Datum.

Foto: Belvedere Wien / Johannes Stoll

Ein Jausenbrett, das oben und unten zwischen zwei Kugeln eingespannt ist. Ein altes Blech mit einem hineingeschnittenen Loch. Das Holzstück dort könnte wiederum einmal Teil eines Bootes gewesen sein, das hier hingegen von einer Schublade stammen. Doch man weiß es nicht, rätselt nur.

Eigentlich hätte das Belvedere 21 mit Ugo Rondinone in die neue Saison starten wollen. Statt regenbogenfarbener Kreisbilder stehen nun aber zig aus dünnen Holzstäben gebaute Würfel im Raum verstreut und sähen alle fast gleich aus, befänden sich nicht jeweils in der Mitte die zuvor beschriebenen rätselhaften Objekte. Stärker könnte der Kontrast zum US-Schweizer Künstler Rondinone, dessen Schau wegen Corona auf den nächsten Herbst verschoben wurde, nicht sein als mit diesem Ersatzprogramm von Zbyněk Sekal, 1928 in Prag geboren, 1968 vor der sowjetischen Okkupation nach Wien geflohen und 1998 dort gestorben. Er sei ein "weithin vergessener Künstler", der in seiner Heimat aber zu den großen Avantgardevertretern gehöre, betont Belvedere-Direktorin Stella Rollig.

Bergende "Schreine"

Hierzulande wurde Sekal in den 1970ern Mitglied der Secession, unterhielt gute Beziehungen zu Künstlerkollegen nicht nur der Galerie im Griechenbeisl. Früh wurde er auch institutionell gesammelt. 2002 aber fand die letzte Schau statt.

Und nun wieder, mit viel Licht und Luft rundum für virenfreie Betrachtung aufgestellt. Auf den ersten Blick erinnern die Würfel an Käfige. Das ließe sich auch aus Sekals Biografie argumentieren, der weil er antinazistische Flugblätter verbreitete in den 1940ern in verschiedenen KZs interniert war. Und auch wenn Rollig auf Motive der Isolierung hinweist, die zur Corona-Situation heute passen, sperrte Sekal sich gegen die düstere Sicht. Betrachtet man sie länger, eignet den Würfeln bald tatsächlich etwas Bergendes. Sekal nannte sie entsprechend "Schreine".

Schwer zu lesen

Weil sie oft ohne Titel auskommen, ist sie zu lesen nicht einfach. Unmittelbar reizend ist dank kurzer Plastikbeinchen ein Schrein mit Hündchen. Ein Holzbrett mit aufgesetztem schwarzen Kreissegment markiert nebenan eine flachköpfige Figur. Menschen sind oft das Thema, aber eben auch sehr abstrahiert.

Gezeigt werden 73 Arbeiten. Es zählen dazu neben den Würfeln auch stilistisch zwischen Giacometti und Wotruba changierende Steinskulpturen und hermeneutisch nicht weniger fordernde Materialbilder aus Blech und Draht. Einem Ökogedanken folgend verwendete Sekal nur Materialien, die von anderen schon benutzt worden waren. Auch das passt in unsere Zeit. (Michael Wurmitzer, 31.8.2020)