Höchste Glaubwürdigkeit, wenn es ums Militär geht: Bundespräsident Alexander Van der Bellen

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Linz – Zu Beginn des Sommers waren Pläne des Verteidigungsministeriums bekannt geworden, die einen radikalen Umbau des Bundesheeres bedeuten würden. Eine aktuelle Market-Umfrage im Auftrag des STANDARD zeigt nun, dass diese Pläne zumindest teilweise die Zustimmung der Bevölkerung finden.

Allerdings ist die Bevölkerung in der Frage, ob das Bundesheer mehr Geld bekommen soll, gespalten: 44 Prozent würden dem Bundesheer mehr Budget zugestehen – es sind im Wesentlichten Männer, ältere Befragte und Parteigänger von FPÖ, ÖVP und SPÖ, die spendierfreudig sind. Etwa ebenso viele Befragte (43 Prozent) sehen das Wehrbudget als gerade richtig an. Und nur zwölf Prozent (vor allem politisch indifferente Befragte) sind für Kürzungen.

Wo die Bevölkerung sparen würde

DER STANDARD ließ fragen, welche Sparmaßnahmen überhaupt für sinnvoll gehalten werden und welche eher nicht umgesetzt werden sollten. An die Spitze setzte die repräsentaiv ausgewählte Stichprobe von Wahlberechtigten die Einschränkung von Auslandseinsätzen. 57 Prozent würden diese Missionen zurückfahren, im Oktober 2014 wollten das sogar 62 Prozent.

Damals war die von zwei Dritteln der Befragten ausgesprochene Top-Empfehlung, dass das Bundesheer kleine Kasernen zusperren sollte – das ist inzwischen teilweise passiert, doch 47 Prozent der Befragten glauben weiterhin, dass da noch mehr geht. Die Befragten im ländlichen Raum antworten da ähnlich wie jene in Ballungsgebieten – eine Sorge, dass mit den kleinen Kasernen Sicherheitsstrukturen in der Fläche wegbrechen könnten, ist aus der Umfrage also nicht herauszulesen.

Außerdem hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ja bereits versichert, dass sie zwar einzelne kleine Kasernen schließen möchte, dass aber jeder derzeitige Garnisonsort zumindest eine Kaserne behalten wird.

Eindeutig ist der Wunsch, dass die Eurofighter künftig am Boden bleiben sollen – das sagen 50 Prozent, nur jeder Dritte ist für einen Weiterbetrieb, 17 Prozent äußern in dieser Frage keine Meinung.

Der Verkauf von Kanonen – weit oben auf Tanners Liste – findet auch in der Bevölkerung Anklang: 45 Prozent der Befragten können sich dafür erwärmen, der Abrüstungswille ist aber deutlich geringer als noch 2014, als 62 Prozent die Kanonen loswerden wollten. Immerhin 38 Prozent sagen jetzt, dass sie die Artillerie behalten wollen.

Fehlender Rückhalt in der ÖVP

Hinsichtlich der Panzertruppe hat sich die Meinung der Bevölkerung gedreht. Die Panzer wollten vor sechs Jahren noch 43 Prozent der Befragten loswerden, jetzt sind es nur noch 36 Prozent. Eine relative Mehrheit von 47 Prozent ist sogar ausdrücklich dafür, die Panzertruppe zu erhalten. Auffallend ist, dass Tanners Pläne zum Abbau schwerer Waffen bei der Wählerschaft von SPÖ und Grünen sehr gut ankommen, dass aber die Anhänger ihrer eigenen Partei (und noch stärker die FPÖ-Wähler) an den Panzern festhalten wollen.

Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was in der Parlamentsdebatte über Tanners Pläne geäußert wurde: Da hatten ÖVP-Abgeordnete der Reduktion der schweren Waffen das Wort geredet, die SPÖ dagegen wollte das Bundesheer stärken.

Wie stark wird das aber geglaubt? Auch dazu hat Market gefragt – erhoben wurde, wem es eher um ein funktionierendes Bundesheer und wem eher um ein politisch-taktisches Spiel gehe. Hier punktet die SPÖ nur bei 16 Prozent positiv – 45 Prozent unterstellen ihr Parteitaktik. Diese Werte haben sich seit 2016 (damals stellte die SPÖ den Verteidigungsminister Gerald Klug) nur unwesentlich geändert.

Die ÖVP wird nicht viel besser eingeschätzt: 20 Prozent glauben ihr ihr Engagement für das Bundesheer, beinahe doppelt so viele (38 Prozent) sehen sie überwiegend taktieren. Das ist immerhin eine kleine, statistisch signifikante Änderung gegenüber früheren Umfragen.

Van der Bellen am glaubwürdigsten

Die höchste Glaubwürdigkeit in Wehrfragen wird dem Oberbefehlshaber, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, zugeschrieben. 35 Prozent attestieren ihm, dass es ihm tatsächlich um die Landesverteidigung gehe – er ist auch der einzige Akteur der wehrpolitischen Diskussion, dem nur eine Minderheit (26 Prozent) Taktieren unterstellt. Van der Bellen genießt vor allem das Vertrauen von Männern, älteren Befragten und von Anhängern der SPÖ, der Neos und in etwas geringerem Maße von Grünen. FPÖ-Wähler trauen ihm auch in der Rolle des Bundespräsidenten nicht.

Die geringste Glaubwürdigkeit wird Generalstabschef Robert Brieger attestiert: Nur neun Prozent glauben, dass es ihm um das Bundesheer gehe. Zum Vergleich: Vorgänger Othmar Commenda kam 2014 auf 22 Prozent, Vorvorgänger Edmund Entacher im Herbst 2012 sogar auf 32 Prozent.

Aber dieser gute Wert von General Entacher hatte auch damit zu tun, dass er sehr engagiert gegen die damaligen SPÖ-Pläne zur Abschaffung der Wehrpflicht eingetreten war und sich auch mit dem damaligen Verteidigungsminister Norbert Darabos angelegt hatte. Bekanntlich ging in der Folge die Volksbefragung am 20. Jänner 2013 mit fast 60 Prozent für die Wehrpflicht aus.

Wehrpflicht bleibt umstritten

Der auf diese Weise bekundete Wille der Bevölkerung wurde erfüllt, die Wehrpflicht blieb seither politisch unangetastet. Dennoch ließ DER STANDARD erheben, ob die Bevölkerung das auch so sieht – und bekam erstaunlicherweise die Antwort, dass das eben nicht der Fall sei: Vor allem jüngere Befragte und Anhänger von FPÖ und SPÖ meinen, die Regierung habe die Wehrpflicht nicht dem Willen der Wähler entsprechend aufrechterhalten.

Und das, obwohl eine klare Mehrheit von 55 zu 43 Prozent (Rest unentschieden) für die allgemeine Wehrpflicht ist. Nur Befragte unter 30, Stadtbewohner und Wähler der Grünen neigen mehrheitlich einem Berufsheer zu.

Eine klare Mehrheit von 70 Prozent ist übrigens dagegen, dass an der Ausbildung der Rekruten gespart wird. Auch weitere Befunde legen nahe, dass die Pläne aus Klaudia Tanners Kabinett zumindest teilweise mehrheitsfähig sind.

So sagen 64 Prozent, dass die Verteidigungsanstrengungen im Internet nicht eingeschränkt werden sollten – Tanner will diese bekanntlich ausweiten und bekommt damit breite Zustimmung. Die Ministerin will das Bundesheer auch durch Assistenzeinsätze (53 Prozent wollen diese nicht einschränken), durch einen Abbau von Berufssoldaten (57 Prozent dafür) und durch Weiterführung der Grenzkontrollen (68 Prozent dafür) profilieren. Und die von Experten abgelehnte, aber von den Landeshauptleuten befürwortete Abschaffung der Brigadestruktur zugunsten einer Stärkung der Militärkommanden bekommt in der Bevölkerung ebenfalls eine relative Mehrheit. Ein Teil der Pläne der Ministerin ist also durchaus mehrheitsfähig. (Conrad Seidl, 4.9.2020)