Gottvertrauen gibt’s beim Diözesanfußballverein FC Endstation Hernals vor allem in die eigenen Fähigkeiten.

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Mathias Püsche (46) hat gerade Elternaufsicht auf dem Hockeyplatz des Post SV in Wien-Hernals, seine Kinder spielen dort im Verein. Er selbst aber ist Coach des FC Endstation Hernals, einer Fußballmannschaft, die 1994 von einer Gruppe Maturanten des Gymnasiums Geblergasse gegründet wurde. Darüber hinaus verband sie, dass sie alle in der Pfarre St. Bartholomäus in der Kalvarienberggasse aktiv waren.

Ein Jahr nach der Matura war in ihnen der Wunsch gewachsen, ihrer Leidenschaft für Fußball eine Wettbewerbsstruktur zu verpassen und dabei ihre Gemeindezugehörigkeit nicht zu verleugnen. Wie sollte das gehen? Sie wurden fündig in der Katholischen Aktion, innerhalb derer 1951 die Diözesansportgemeinschaft (DSG) gegründet wurde. Interessierte Katholiken sollten darin organisiert Sport betreiben können, ausgeschlossen waren aber auch Un- oder Andersgläubige nie. Die DSG betreibt zahlreiche Sektionen: Tischtennis war einmal sehr groß, das eher unchristliche Sportschießen ein bisschen weniger.

Beten könnte helfen

Am größten aber war und ist natürlich die Sektion Fußball. Ein Sekretariat und ein Zivildiener kümmern sich um die Meisterschaft, die Spielerpässe und ein eigenes Schiedsrichterkollegium. Der Wiener Verband organisiert mit Niederösterreich und dem Burgenland zusammen die Regionalliga, darunter gibt es die Landesligen (Wiener Liga), die erste und zweite Klasse sowie die Ober- und Unterliga, parallel dazu läuft die Liga der DSG.

"Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten", erklärt Püsche. "Entweder man wird als Pfarrmannschaft als pfarrverbundene oder als pfarrfremde Mannschaften gemeldet."

Der Unterschied liegt im Nennbeitrag von circa 30 Euro. Religiöse Auswüchse wie kollektives Beten vor dem Spiel gibt es aber nicht.

Nachdem die DSG in den Wiener Fußballverband aufgenommen wurde, mussten die ambitionierten Herren einen Verein gründen. "150 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr, dafür kannst Fußball spielen", erklärt Püsche, der Schriftführer und Organisator wurde. "Es ist ein äußerst demokratisch geführter Verein mit zweimal im Jahr Mitgliederversammlung und großer Diskussion bei der jährlichen Hauptversammlung." Da geht es dann um Wichtiges (Trainingslager) und noch Wichtigeres (Grillereien).

Die Idee zur Gründung des Vereins entstand im Veranstaltungslokal Kulisse im Zuge eines feuchtfröhlichen Nachmaturatreffens. Da wurden einige Krügerln Ottakringer gekippt und ein Name für den Verein gesucht: Zunächst kaute man die üblichen Möglichkeiten durch (Dynamo, Torpedo, Roter/Gelber/Grüner Stern ... ), bis irgendjemandem die "Endstation" einfiel. "Wenn man die Endstation erreicht hat, hat man alles erreicht", formuliert Püsche. Das Logo mit Ratte und Krügerl wurde entworfen, und die Vereinsfarben richteten sich nach der Farbe des damals getrunkenes Bieres – Gelb-Schwarz, auch wenn das Bier gelb-grün ist.

Gottvertrauen auf dem Platz

"1994 spielten noch viele mit, die von Fußball keine Ahnung hatten", erzählt Püsche. "Und die erste Trainingshalle war ein Turnsaal mit einer Säule in der Mitte, die für manche schon schwer zu umspielen war."

Wichtigste Aufnahmekriterien: "Dass man sozial dazu passte, das Probetraining heil überstand und Meister der dritten Halbzeit war", also im Feiern danach. Püsche fand seinen Platz im linken Mittelfeld und war "der Beißer, aber auch der Organisierer", nachdem er zu Anfang auch als Stürmer oder Libero spielte und sogar als Aushilfstormann. Den Fulltimejob als Goalie bekleidet allerdings "Ladi" (45).

Stoßgebete schickt der Sohn einer Religionslehrerin, der kaum mehr in die Kirche geht, aber nicht aus, bevor ein Eckball kommt. Er verlässt sich lieber auf sich und seine Dreierkette als auf Gott, wenn freitags um 19.45 Uhr angepfiffen wird. "Vor ein Uhr früh kommt man nicht nach Hause", erklärt er. "Dritte Halbzeit" natürlich inklusive.

Obwohl "Ladi" nun schon sehr lange dabei ist, spielt sogar er immer wieder auf Plätzen in Wien, die er bis dahin nicht kannte: "Transdanubien hinterm Autokino. Oder Klosterneuburg beim Happyland. Der Polizeiplatz auf einer Insel bei der Alten Donau, der ist legendär!" Wenn dort einer gröber draufhaut, landet der Ball in einem Kleingarten oder im Wasser.

An sein erstes Spiel kann sich Püsche heute nicht mehr erinnern (dritte Halbzeit?), hingegen an zahlreiche Highlights, als da wären: 2012 wurden sie Meister, als sie das entscheidende Spiel auf der Marswiese vor 250 Fans gewannen: "Party pur!" Letzten Herbst waren sie in Deutschland zu einem internationalen Freundschaftsspiel gegen die Altherren von Schalke Teutonia Nord auf der legendären Glückauf-Kampfbahn inklusive Zapfanlage und Grillen. Am nächsten Abend ging’s nach Dortmund ins riesige Stadion der Borussia, wo sie sich in ihren schwarz-gelben Dressen sofort heimisch fühlten. "Nur zur Gelben Wand" – der berühmten Stehplatztribüne mit 18.000 Leuten – "muss ich als alter Rapidler sagen: Da ist in St. Hanappi akustisch mehr los!"

Die Auswahl

Spielt man anders, nur weil man "katholisch" ist? Lässt man den Gegner mal gewinnen oder hält man ihm das linke Knie auch noch hin, wenn er einem schon gegen das rechte getreten hat? "Nein!", sagt Püsche. "Wir wollen immer gewinnen!" Teil ihrer Vereinsphilosophie ist, dass möglichst alle spielen sollen, was für Püsche, der die letzten Jahre nur noch Trainer war (das Knie!), nicht ganz einfach ist. Aus den 28 Spielern, die zusammen trainieren, musste er für den Matchtag einen Kader mit 15 Spielern nominieren. Davon fingen klassischerweise elf an, und die restlichen vier wechselte er irgendwann ein. "Der eine nahm’s lockerer, der andere weniger, wenn er nicht spielte."

Püsche machte sogar die Trainerausbildung. Aber selbst Fachwissen bewahrte ihn nicht davor, die Umstellung auf Dreierkette im Gremium besprechen zu müssen. "Weil das Dümmste und Unguteste ist immer, wenn sich jemand übergangen fühlt und es nicht sagt." Wem die Dreierkette (oder anderes) nicht gefällt, der verabschiede sich aber ohnehin, erklärt er, und umgekehrt gebe es immer wieder Leute, zu denen sie sagen: "Das passt nicht mit dir. Du spielst nicht gut genug. Du bist zu ehrgeizig. Oder: Du hast unsere Philosophie nicht verstanden, wir wünschen dir alles Gute!"

Trotzdem haben sie genug junge Leute, die ihre Vereinsphilosophie fortführen, mit besseren Schuhen freilich als jenen, mit denen "die alten Herren" 1994 begannen. Nicht nur das Material hat sich seither weiterentwickelt, sondern auch das Spiel. Der Fußball ist heute selbst in der Unterliga auf einem recht hohen Niveau, und die Knochen machen das Tempo nicht mehr mit. Darum konzentrieren sich Püsche und die anderen Gründungsmitglieder des Vereins langsam auf die "dritte Halbzeit", während der es viel zu feiern und schöne Erinnerungen hochzuhalten gilt. (Manfred Rebhandl, 4.9.2020)