Die Rede von Michael Ludwig war der einzige Programmpunkt beim Wahlkampfauftakt der SPÖ Wien in der neueröffneten Libelle im Museumsquartier.

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Schon am Eingang des Museumsquartiers war klar, wer an diesem Dienstag feierte. Busse und Werbefahnen mit der Aufschrift "Ludwig 2020 – Sei dabei" wiesen den Weg zur neueröffneten "Libelle" und damit zum Wahlkampfauftakt der Wiener SPÖ. Auch die Masken der rot gekleideten Mitarbeiter zeigten, worum es geht: Rot auf weiß fand man darauf Bezirkskarten gedruckt.

Die Bürgermeisterpartei setzt im Vorfeld des Urnengangs am 11. Oktober ganz auf ihren Spitzenkandidaten, Stadtchef Michael Ludwig. Auch der offizielle Auftakt der Partei hatte nur einen großen Punkt auf dem Programm: die Rede Ludwigs vor nur rund 50 geladenen Gästen. Alle anderen mussten die einstündige Ansprache per Livestream verfolgen.

Auf einen Großevent, wie zuletzt 2015, als hunderte Genossen in die Messe Wien kamen, musste Corona-bedingt verzichtet werden. Die "Libelle" als Ort des Wahlkampfaustakts sei laut Ludwig auch eine "Erfolgsgeschichte der Zusammenarbeit zwischen Bund und der Stadt Wien". Das betone er deshalb, weil das nicht alltäglich sei.

Kleiner Kreis

Das Bad in der Menge musste Ludwig sich sparen. Vor allem Journalisten und rote Funktionäre nahmen am Wahlkampfauftakt teil. In der erste Reihe flankierten die roten Stadträte und Klubchef Josef Taucher die Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner. "Um Missverständnisse auszuräumen: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zur Bundespartei", erklärte Ludwig gleich zu Beginn, als er Rendi-Wagner, Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und Doris Bures begrüßte.

"Es ist ein Wahlkampfauftakt der anderen Art", sagte Ludwig. Trotzdem wolle die SPÖ die Wiener Bevölkerung einbinden. Weshalb Ludwig noch vor seinen Ansagen für die Wien-Wahl jene Menschen, die auf den Teaser-Plakaten der SPÖ die Models gaben, vorstellte.

Rote Arbeitsmarktoffentive

Inhaltlich fokussierte Ludwig bei seiner Ansprache neben Gesundheit, Bildung oder Wohnen vor allem auf das Thema Arbeit.

Joboffensive 50+: "Wir haben an die 1000 Personen im Rahmen der Joboffensive 50+ vermittelt", erklärte Ludwig. Das Projekt soll nun ausgebaut werden. 100 neue Plätze sollen älteren Langzeitarbeitslosen dabei helfen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Durch eine einjährige Förderung sollen diese neue Jobmöglichkeiten im Bereich der Gemeinde Wien, bei gemeinnützigen Einrichtungen und in der Privatwirtschaft geschaffen werden. 13,3 Millionen Euro sollen dafür bereitgestellt werden. Unter anderem sollen gemeinsam mit dem AMS weitere 100 VollzeitJobs geschaffen werden, die an rund 200 Schulen die Lehrkräfte entlasten – etwa, indem sie administrative Aufgaben übernehmen.

Lehrplatzgarantie: Die Stadt werde für Ausbildungsbetriebe, die wegen der Coronavirus-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind und darum die Lehrausbildung nicht aufrechterhalten können, einspringen. Die Lehrlinge sollen für vier Monate in die Schulungseinrichtungen der überbetrieblichen Lehrausbildung wechseln. Das soll vor allem auch in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie geschehen. Konkret, so heißt es auf Nachfrage aus dem Büro des zuständigen Finanzstadtrats Peter Hanke (SPÖ), geht es um 600 Lehrstellen, der Bedarf bestehe vor allem in der Hotellerie, der Gastronomie und bei Bürokaufmännern und -frauen. 1,3 Millionen Euro soll das gesamte Projekt kosten.

Hilfspaket für Tourismus und Hotellerie: Eine "Anschubfinanzierung", die einen "Neustart des Wien-Tourismus und der Hotellerie" bringen soll, ist rund sieben Millionen Euro schwer.

Gastronomie und Schanigärten: Unter "guten Konditionen" für die Gastronomie soll es eine Lösung in puncto Schanigärten geben, damit jene Menschen, "die gerade nicht so gerne in Lokale gehen", auch weiterhin draußen sitzen können. Bisher war es ja nur eingeschränkt möglich, auch im Winter einen Schanigarten zu betreiben – dem standen etwa die Schneeräumungen der MA 48 im Weg. Nun sollen Schanigärten in derselben Dimension wie im Sommer auch im Winter erhalten bleiben, heißt es aus dem Büro Hanke, man sei da "auf dem Weg zu einer guten Lösung". Erst am Dienstag sprach sich auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) aufgrund der Corona-Pandemie für eine Öffnung der Schanigärten über den Winter aus.

Clubs: Um die Arbeitsplätze in der schwer getroffenen Wiener Clubszene zu sichern, sollen insgesamt drei Millionen Euro in die Wiener Clubs fließen. Besondere Projekte werden mit bis zu 30.000 Euro gefördert, wie es nach der Rede Ludwigs aus dem Büro des Finanzstadtrats heißt – zuvor war nur von 10.000 Euro pro Projekt die Rede. Fest steht: Es soll um Projekte gehen, in denen es kreative Konzepte gibt und in denen Raum neu genutzt wird – und zwar Corona-sicher. Die Förderung wird von der Wirtschaftsagentur abgewickelt werden.

Kabarett: Ebenfalls drei Millionen Euro sollen ans Kabarett gehen. Man wolle damit Bühnen unterstützen, die sich bisher selbst finanziert und "nie Subventionen" gebraucht haben, sagte der Bürgermeister. Namentlich nannte er etwa die Kulisse, das Kabarett Niedermair und den Simpl. Außerdem profitieren sollen Casanova, Globe, Orpheum, der Stadtsaal und das Theater am Alsergrund. Diese seien in der Corona-Zeit "vor dem Ende gestanden", sagte Ludwig. Doch: "Wer kann sich Wien ohne Kabarett vorstellen? Da würde uns das Lachen sehr abgehen." Die Förderungen werden zu ungleichen Teilen aufgeteilt und seien einmalig für das Jahr 2020, heißt es aus dem Büro von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ).

Spekulationsstopp: Verschärft und ausgebaut soll das Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz werden. Dadurch soll der Erwerb von Wohnungen und Liegenschaften als Spekulationsobjekt – etwa für "Oligarchen", wie der Stadtchef sagte – erschwert werden. "Wir werden sicherstellen, dass es keinen Ausverkauf von Grundstücken in unserer Stadt gibt", betonte Ludwig. Das Büro der Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál konkretisiert im Anschluss: Man wolle "potenzielle Erwerber noch besser durchleuchten sowie Schachtelkonstruktionen und anderen Umgehungsgeschäften den Kampf ansagen."

Klimaschutz, Digitalisierung und Standortbelebung: Je eine "Wachstumsmillion" soll in die Bereiche Klimaschutz, Digitalisierung und Standortbelebung fließen. Wien solle zur Klimaschutzhauptstadt Europas werden.

Fortsetzung der Februar-Ankündigungen

Bereits bekannt waren einige Themen, die Ludwig in ähnlichem Setting Anfang des Jahres bei einer roten Veranstaltung unter dem Titel "Entschlossen für Wien" im K47 am Franz-Josefs-Kai ankündigte.

Ganztagsschulen: Darunter finden sich die mit diesem Schuljahr startenden 70 Gratis-Ganztagsschulen. Jedes Jahr sollen zehn weitere hinzukommen. "Das zeigt, dass wir konsequent den nächsten Schritt gehen. Wenn es Innovationen im Bildungsbereich gibt, dann gehen diese immer von Wien aus", sagte Ludwig. Und: "Ja, das ist sozialdemokratische Bildungspolitik. Bis 2023 soll es darüber hinaus 14 Campus-Standorte geben, wo Kindergarten-, Schul- und Freizeitpädagogik an einem gemeinsamen Standort vereint angeboten werden. In einem zweiten Ausbauschritt sollen insgesamt 23 Bildungscampus-Standorte zur Verfügung stehen.

Kinder und Jugend: Die Ergebnisse der Kinder- und Jugendbefragung sollen in allen Ressorts Einzug halten. "Ziel ist es, dass wir zur kinder- und jugendfreundlichsten Stadt werden", betonte Ludwig.

Gesundheitssystem: Bis 2025 sollen in der Stadt 36 neue Primärversorgungszentren entstehen, die den Spitalsbetrieb entlasten. Weiters sollen 200 zusätzliche Kanzleikräfte die Ambulanzen entlasten und 16 neue Gesundheitszentren errichtet werden – darunter etwa ein Diabetes-, ein Kinder- und ein Wundzentrum. So sollen die stark frequentierten Ambulanzen entlastet werden. Um das Leistungsniveau des Gesundheitssystems zu sichern, werden die Ausbildungskapazitäten bis 2024 schrittweise um 2.750 Plätze erhöht. Konkret geht es dabei etwa um 250 zusätzliche Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern des Gesundheitsverbunds (ehemals KAV), um 1.000 zusätzliche diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, um 700 zusätzliche Pflege- und Pflegefachassistenzen und um 800 neue andere Gesundheitsberufe und Hebammen. Diese Maßnahme soll, so heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), im Endausbau 30 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Pflegegarantie: Ebenfalls angekündigt wurde bereits im Februar eine "Pflegegarantie". Jeder Wiener und jede Wienerin soll, wenn nötig, einen Platz in einer Pflegeeinrichtung oder in einem Pensionistenwohnhaus erhalten. Und: "Der Ausbau der Wohngemeinschaften ist etwas, das wir auch fortschreiben wollen", sagte Ludwig – damit wolle man der Alterseinsamkeit entgegenwirken. Auch generationenübergreifende Wohnkonzepte sollen weiter ausgebaut werden. Von 1,9 Millionen Wienern sind rund 400.000 mindestens 60 Jahre alt.

Wien Bonus: Ausgedehnt soll bekanntlich auch der Wien-Bonus werden, was etwa Lebensmittelproduzenten der Stadt zugutekommen soll. Rund 14 Prozent der Fläche Wiens sind landwirtschaftlich genutzt. Wiener Betriebe sollen bei Auftragsvergaben der Stadt stärker berücksichtigt werden. "Kurze Wege sind etwas sehr Positives", betonte Ludwig – sowohl im Sinne des Umweltschutzes und der Ökologie als auch für Arbeitnehmer.

Wien sei laut Ludwig gut durch Corona-Krise gekommen

Neben dem Aus- gab Ludwig auch einen kleinen Rückblick auf die vergangenen Monate. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass es in Wien "ein besonderes Miteinander" gebe – auch bei den Hilfsorganisationen. "Das kann man nicht auf Knopfdruck bestellen, bei uns wird dieses Miteinander gelebt", sagte Ludwig. Auch erinnerte Ludwig an die Taxigutscheine für die ältere Bevölkerung sowie an den Gastro-Gutschein, der 66.000 Arbeitsplätze gesichert habe. Dieser sei eine "schnelle und unbürokratische Hilfe" gewesen, sagt Ludwig. Denn: "Wer schnell hilft, hilft doppelt."

Nicht so schnell geht es in Wien derzeit bei den Corona-Tests, deren Auswertung, sowie bei der Ausstellung der Quarantänebescheide. Wie der Orf in der Zib2 berichtete kommt es teilweise zu tagelangen Wartezeiten. Man sei bereits dabei bei den Gesundheitsbehörden Personal aufzustocken, sagte Ludwig dazu. Zu den auffällig hohen Corona-Fallzahlen in der Bundeshauptstadt – mehr als die Hälfte der österreichweiten Fälle treffen Wien – sagte der Bürgermeister, das liege daran, dass man mehr teste als andere Bundesländer. Laut Orf testet allerdings beispielweise das Burgenland noch mehr und Kärnten ähnlich viel wie Wien.

Dafür betonte der Bürgermeister, dass man es mit Mittlen aus dem Bürgermeisterfonds geschafft habe, dass "eine Ärztin aus Wien den Corona-Gurgeltest" entwickelt hat, der etwa in der Teststraße oder an den Wiener Schulen zum Einsatz kommt. Jetzt werde man noch an einer Testung für Kindergartenkinder arbeiten, die noch nicht gurgeln können.

Absage an ÖVP

In Richtung ÖVP, die zuletzt gefordert hatte, dass der Erhalt einer Gemeindewohnung an Deutschkenntnisse geknüpft werden solle, erklärte Ludwig: "Jene, die die Gemeindebauten errichten, sollen auch die Möglichkeit haben, dort zu leben." Allerdings müssten sich jene, "die zu uns kommen", auch an die Spielregeln halten. Ludwigs Ziel sei es, Wien zur "Friedensstadt" zu machen – dafür habe man seit drei Jahren am Campus der Religionen gearbeitet. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 8.9.2020)