Auswahlverfahren für den Generalstabskurs: Rund 250 Truppenoffiziere unterziehen sich einem anonymisierten Prüfungsverfahren, in dem sie zeigen, ob sie Taktik und Vorschriften beherrschen – und gleichzeitig menschlich geeignet sind, eine der Top-Managementfunktionen im Bundesheer oder in internationalen Stäben zu übernehmen.

Bundesheer/Gorup

Napoleon wird der Ausspruch zugeschrieben, dass jeder den Marschallstab im Tornister trage – dass also jeder einfache Soldat aufgrund seiner Verdienste in den höchsten Rang aufsteigen könnte. In Österreich verlässt man sich da lieber auf eine solide Ausbildung – den Generalstabskurs an der Landesverteidigungsakademie.

Das ist eine traditionsreiche Ausbildung: Seit 1867 wurde die Beförderung zum Stabsoffizier von der erfolgreichen Absolvierung eines entsprechenden Kurses abhängig gemacht – womit bürgerliche Offizierslaufbahnen gefördert und Adelsprivilegien bei der Beförderung abgeschafft wurden.

Adelsprivilegien gibt es heute in Österreich ebenso wenig wie Marschälle (nur im Rang des Generalmajors klingt der französische Maréchal noch durch), aber ein Prinzip hat sich seit der Monarchie erhalten, erklärt Bernhard Gruber, Kommandant des aktuellen 22. Generalstabskurses des Bundesheers: "Das Auswahlverfahren für die Generalstabsausbildung ist traditionell anonymisiert, es besteht aus drei Auswahlrunden und einer Mischung aus Wissensüberprüfungen sowie eines Assessments der personalen Kompetenzen. Die Anonymität soll allen Bewerbern die gleichen Chancen zukommen lassen."

Auswahlverfahren

Im langjährigen Schnitt unterziehen sich rund 250 Offiziere dem Auswahlverfahren, ihre schriftlichen Arbeiten in den Auswahlrunden werden nicht mit ihrem Namen, sondern nur mit einer Nummer versehen den Prüfern zur Beurteilung vorgelegt – auch das Feedback aus der Truppe (befragt werden Vorgesetzte, Gleichrangige und Untergebene) wird mit einer Kennzahl anonymisiert, um möglichst hohe Objektivität zu gewährleisten.

Gruber, selbst Oberst des Generalstabs, betont die Strenge des Auswahlverfahrens: "Am Schluss bleiben rund 20 Teilnehmer für den Generalstabskurs übrig – aktuell sind es 18 Offiziere des Bundesheers und ein Offizier der Bundeswehr."

Zu Monatsbeginn werden die Kursteilnehmer – Altersschnitt 36 Jahre – für eine Woche auf die Seetaler Alpe verlegt, um auf dem dortigen Truppenübungsplatz das Team zusammenzuschweißen. Die kommenden vier Semester werden sie zusammen an der Landesverteidigungsakademie in der Wiener Stiftskaserne studieren – ein Spektrum, das von allgemeinen sicherheitspolitischen Grundlagen (die in Kooperation mit der Diplomatischen Akademie vermittelt werden) über Militärstrategie, Polemologie (Soziologie des Krieges) sowie operative und taktische Führung bis zu Streitkräfteentwicklung und -management reicht.

Auch Seekriegsführung

Zwischendurch geht es zu größeren internationalen Stabsrahmenübungen, in denen Offiziere mehrerer Nationen das Zusammenwirken von Land-, Luft- und Seestreitkräften sowie von Spezialeinsatzkräften und Cyberverteidigung durchspielen. "Bei diesen Stabsrahmenübungen haben wir uns nie verstecken müssen", lobt der Kommandant – wie ja auch österreichische Soldaten in internationalen Einsätzen gute Figur machen.

Aber Moment einmal: Wurden da eben Seestreitkräfte erwähnt? Seit 1918 hat Österreich keinen Zugang mehr zur See und auch keine Marine. Was muss man denn da als österreichischer Generalstabsoffizier wissen?

Alles. Denn längst ist Österreichs Bundesheer eng mit internationalen Verteidigungsanstrengungen verflochten – bei friedenserhaltenden Einsätzen wirken ja auch Geräte und ganze Waffengattungen zusammen, über die Österreich nicht verfügt. Wenn sie aber von anderen Nationen eingebracht werden, müssen österreichische Stabsoffiziere verstehen, wie sie eingesetzt werden.

Und schon vor einem allfälligen Einsatz einer EU-Truppe muss im österreichischen Verteidigungsministerium die Kompetenz vorhanden sein, einen solchen Einsatz zu beurteilen, damit die Bundesregierung in Brüssel eine fachlich fundierte Position vertreten kann, erläutert Oberst dG Gruber.

Akademischer Rang

Für den von ihm kommandierten 22. Generalstabskurs wurden alle Inhalte und Abläufe nochmals überarbeitet: Aufgrund der geänderten Grundausbildung der Offiziere an der Theresianischen Militärakademie – die dort ausgemusterten Leutnante erhalten gleichzeitig den akademischen Rang "Bachelor der Militärischen Führung" – wurde entschieden, dass die künftige Generalstabsausbildung den "Fachhochschul-Masterstudiengang Militärische Führung (FH-MaStg MilFü)" beinhaltet. Ein begleitendes Universitätsstudium abseits der engeren militärischen Fachhochschulausbildung wird dringend empfohlen, wenn man im Bundesheer weitere Karriere machen will.

Nun ist klar, dass nicht jeder Absolvent den Posten eines Generalstabschefs erreichen kann – aber das Verteidigungsressort hat eine ganze Reihe von Stabsstellen mit Generalstabsoffizieren und Generälen in unterschiedlich abgestuften Generalsrängen (Brigadier, Generalmajor, Generalleutnant, General) zu besetzen – und die Zahl dieser Spitzenpositionen ist weitgehend unabhängig von der Größe der Truppe, sagt der Generalstäbler: "Ob Sie Vorschriften für einen Radpanzer machen oder für 10.000 Radpanzer – da ist kein Unterschied."

Für den nächsten Generalstabskurs, den 23., der im Herbst 2022 beginnen wird, haben im September die Auswahlverfahren begonnen – unabhängig davon, wie das Heer dann aufgestellt sein wird: Auch die Planung der Umstrukturierung ist ja eine Arbeit für Generalstäbler. (Conrad Seidl, 25.9.2020)