Hätten die Malversationen in der Commerzialbank schon früher aufdeckt werden können? Tipps gab es jedenfalls.

Foto: Matthias Cremer

"Das gibts doch nicht, dass da gar nichts passiert, nichts von Hausdurchsuchungen oder Problemen bei der Commerzialbank bekannt wird": Das waren die Gedanken jenes Whistleblowers, der am 2. Juli 2015 eine anonyme Anzeige bei der WKStA abgesetzt und über seinen Wissensstand bei der Mattersburger Bank informiert hatte. Zwar habe die Behörde nachgefragt, mit Kontonummern oder Kundennamen konnte er aber nicht dienen, wie der Tippgeber dem STANDARD nun sagt.

Nach der Anzeige geschah ja: nichts. Bis Juli 2020, als die Causa Commerzialbank explodierte – dank eines weiteren anonymen Hinweisgebers, der den Behörden im heutigen Februar viele, viele Detailinfos zukommen ließ.

Schwarzgeld-Vorwurf

Der erste Whistleblower, der anonym bleiben möchte, hatte von gefälschten Konten für erfundene Kunden berichtet, von hunderttausenden Euro, die sich Exbankchef Martin Pucher bar ins Büro schicken ließe, von Geldflüssen zum SV Mattersburg (SVM), dessen Präsident Pucher damals war. Zudem von einem Banker, der von den Machenschaften wisse und für ehrenamtliche Tätigkeit im Fußballverein rund 20.000 Euro jährlich schwarz von der Bank bekomme.

Und der Anzeiger riet damals, die Ermittler mögen doch bei Bankerin K. nachfragen (sie hat die Malversationen im Juli gestanden) oder bei Herrn S., der Kopien der Unterlagen daheim habe. "Heute wird er das nicht mehr bei sich verwahren", vermutet der Tippgeber wohl zurecht.

Auch Anzeige bei der Finanz

Er hat 2015 auch die Aufsichtsbehörde FMA informiert und, was die von ihm behaupteten Schwarzgeldzahlungen betrifft, Anzeige beim Finanzamt Eisenstadt erstattet, wie er heute sagt. Der in der Anzeige genannte Banker habe jeden Monat 1500 Euro vom Bankkassier bar in die Hand bekommen. Außerdem habe es in der Bank damals eine Art "internen Wettbewerb um Einlagen" gegeben. Angepeilt worden seien Kunden, die 500.000 bis eine Million Euro bringen sollten und denen dafür marktunüblich hohe Zinsen in Aussicht gestellt wurden. Der genannte Banker habe auch solche Kunden gebracht, "wissend, dass so viele Geschäfte Fake sind".

Der Betroffene hat Bank und Fußballverein vor wenigen Jahren verlassen, weil ihm die Doppelbelastung zu viel wurde, wie er auf Fragen des STANDARD sagt. Im Gegensatz zum Whistleblower erklärt er, er habe von den Machenschaften Puchers "nichts mitbekommen", er selbst habe für seine Tätigkeit beim Fußballverein nur Diäten und Kilometergeld bezogen. Im übrigen wolle er seine Ruhe haben.

Keine Befragung ...

Und stimmt es, dass Herr S. Unterlagen und belastende Papiere daheim hatte, damals, vor 2015? Nein, sagt der. Er habe die Filialen mit allem Nötigen, "von Servietten bis Geld beliefert" und sei bis vor zwei Monaten (da krachte das Institut unter einer Schuldenlast von 528 Millionen Euro zusammen) Angestellter der Bank gewesen. Ob er weiß, dass er in der Anzeige 2015 als, sagen wir, Auskunftsperson genannt wurde? Er sei damals nicht befragt worden, "ich habe erst jetzt erfahren, dass es da etwas gab."

Was mit der 2015er-Anzeige geschah, weiß man inzwischen. Die WKStA wandte sich an die FMA, die beauftragte die Bankenprüfer der Nationalbank, den Hinweisen nachzugehen. Die waren sowieso gerade zur Vor-Ort-Prüfung in Mattersburg. Fündig wurde die OeNB mit ihren Mitteln nicht, einige Tipps (etwa der, wonach die Nummern der Fakekonten mit 58 beginnen) waren falsch. Die Folge: Die FMA teilte der WKStA mit, die Vorwürfe hätten sich nicht erhärtet. Die WKStA sah daher keinen Anfangsverdacht und leitete keine Ermittlungen ein.

... kein Anfangsverdacht

Warum die WKStA nicht schon in der anonymen Anzeige einen Anfangsverdacht sah, der Ermittlungen ermöglicht hätte? Das ist eine andere Geschichte: die nächste. (Renate Graber, 26.9.2020)