Die industrielle Landwirtschaft gilt als Klimakiller. Verantwortlich dafür ist vor allem das Lachgas aus den Stickstoffdüngemitteln.
Foto: imago images/Design Pics/Rick Dalton

Laxenburg – Ist von Treibhausgasen die Rede, wird Kohlendioxid in der Regel an erster Stelle genannt – und zwar zu Recht, immerhin haben die Emissionen aus menschlicher Aktivität die Konzentration von CO2 in der Erdatmosphäre seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm um über 40 Prozent auf über 400 ppm (2019) ansteigen lassen. Zwar in geringeren Mengen vorhanden, dafür aber deutlich potenter ist Methan, das 25-mal wirksamer ist als CO2 und mit rund 20 Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt beiträgt.

Als Treibhausgas noch um einiges wirksamer ist Distickstoffmonoxid, auch bekannt als Lachgas. Das N2O ist gegenüber Kohlendioxid rund 300-fach Klima-wirksamer und ebenfalls seit einiger Zeit im Steigen begriffen. Dafür verantwortlich ist unter anderem der zunehmende Einsatz von Stickstoffdüngemitteln in der intensivierten Landwirtschaft. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung aus Österreich zeigt nun in einer Analyse, dass die aktuelle Lachgas-Entwicklung auch die Pariser Klimaziele gefährdet.

Anstieg um zwei Prozent alle zehn Jahre

Mit der Konzentration von Lachgas in der Atmosphäre gehe es seit rund 150 Jahre bergauf, berichten die Wissenschafter, zu denen auch Wilfried Winiwarter vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien gehört, in ihrer Arbeit im Fachjournal "Nature". Den aktuellen Gesamtanstieg beziffern die Forscher um Erstautor Hanqin Tian von der Auburn University (USA) mit ungefähr zwei Prozent pro Jahrzehnt.

Das Team aus 57 Wissenschaftern aus 14 Ländern zapfte für sein "globales N2O-Inventar" eine Vielzahl an Datenquellen an und analysierte diese. In die Berechnungen flossen Informationen über insgesamt 21 Quellen und Senken des Gases ein. Demnach findet sich nun rund 20 Prozent mehr Lachgas in der Atmosphäre als noch vor Beginn der Industrialisierung. Zwischen 2007 und 2016 kommen die Wissenschafter auf N2O-Emissionen von rund 17 Millionen Tonnen Stickstoff im Jahresschnitt. Dem gegenüber stehen rund 13,5 Millionen Tonnen, die über chemische Prozesse wieder aus der Atmosphäre verschwinden.

Schädlicher Dünger auf Stickstoffbasis

Für den Anstieg des resultierenden erklecklichen Anteils an in der Luft verbleibendem Lachgas seien vor allem menschgemachte Effekte verantwortlich, so das Fazit der Wissenschafter. Auf insgesamt um die 7,3 Millionen Tonnen aus sogenannten anthropogenen Quellen pro Jahr beziffern sie das Ausmaß. Dieser Wert habe sich in den vergangenen vier Jahrzehnten um rund 30 Prozent erhöht. Mit rund 3,8 Millionen Tonnen stammt den Berechnungen zufolge das Gros davon aus der Landwirtschaft. Verantwortlich dafür ist großteils das Ausbringen von Düngern auf Stickstoffbasis.

Das globale N2O-Budget für 2007 bis 2016.
Grafik: The Global Carbon Project

Für Tian wird "die wachsende Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln für Tiere" die globalen Lachgasemissionen noch zusätzlich erhöhen. Es bestehe also "ein Konflikt zwischen der Art und Weise, wie wir die Menschen ernähren, und unserem Ziel, das Klima zu stabilisieren". Wie groß dieser ist, könne man mit der neuen Studie erstmals recht präzise sagen, so die Forscher: Gehe es mit den gegenwärtigen Emissionen ungebremst weiter, entspreche das eher einem prognostizierten Temperaturanstieg von drei Grad Celsius und nicht den im Pariser Abkommen angestrebten 1,5 Grad, so die Forscher.

Asien, Afrika und Südamerika

Für die meisten Lachgasemissionen zeichnen demnach Ost- und Südasien, Afrika und Südamerika verantwortlich. Während das in China, Indien und den USA zu einem Gutteil auf Kunstdüngung zurückzuführen ist, liegt es in Afrika und Südamerika vor allem am Ausbringen von Jauche. Die höchsten Emissionsanstiege waren in den Schwellenländern Brasilien, China und Indien zu verzeichnen, wo sich Landwirtschaft und Viehzucht deutlich intensiviert haben.

Im positiven Sinne aus der Reihe tanze hier Europa: Dabei handle es sich um "die einzige Region in der Welt, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Lachgasemissionen erfolgreich reduziert hat. Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasen und Luftverschmutzung in Industrie und Landwirtschaft und zur Optimierung der Effizienz des Düngemitteleinsatzes haben sich als wirksam erwiesen. Dennoch werden weitere Anstrengungen erforderlich sein, sowohl in Europa als auch weltweit", so Koautor Winiwarter. (red, APA, 8.10.2020)