Durchdacht und energisch: Andrés Orozco-Estrada.

Kmetitsch

Das Konzertleben Wiens gleicht gemeinhin einer Orchester- und Star-Olympiade. Hier gastieren alle – sofern nicht gerade eine Reisewarnung dazwischenfunkt. Zum Renommee einer Musikmetropole gehört allerdings auch die aktive Dauerpräsenz interessanter Künstler. In dieser Hinsicht ist es nun besser geworden. An der Wiener Staatsoper werkt Dirigent Philippe Jordan als Musikchef. Und auch sein Nachfolger bei den Wiener Symphonikern, der Kolumbianer Andrés Orozco-Estrada, zählt zu den arrivierten Vertretern der jungen Generation.

Im Wiener Konzerthaus, bei seinem Antrittskonzert, ist er in seinem Element: Richard Strauss’ Tondichtung Heldenleben wird nicht nur in Hinblick auf monumentale Qualitäten befragt. Der Dirigent richtet seine Energie auch auf die feinnervige kontrapunktische Unruhe des Werkes wie auch auf die zahllosen Farbschattierungen. Es dominiert emphatische Detailarbeit; die intensiv und emotionsprall umgesetzten Soloviolinpassagen der neuen Konzertmeisterin Sophie Heinrich stehen dafür beispielhaft.

Das Antrittskonzert bot auch andere Aspekte der offenbar von gegenseitiger Wertschätzung getragenen Zusammenarbeit: Bei Erich Wolfgang Korngolds jugendlichen Einfachen Liedern demonstrierte man die Fähigkeit, behutsam, aber doch klangpräsent zu begleiten. Sopranistin Christiane Karg konnte ihre lyrischen Qualitäten großzügig ausspielen, ohne zu forcieren. Wobei: Bereits zuvor, bei Carlijn Metselaars Stück Vorfreude. Fanfare gab es Gelegenheit, subtile Momente und deren sanftes Aufbäumen bis ins Ekstatische zu studieren.

Das Konzerthaus wurde dabei zu einer Art Musikaquarium: Da einige Instrumentalisten über den Saal verteilt waren, wähnte sich das Auditorium ganz in den Klang eingehüllt, von ihm umarmt. (Ljubiša Tošić, 12.10.2020)