Die geballte Macht der Länder: die Landeshauptleute Schützenhöfer, Haslauer, Kaiser, Wallner Mikl-Leitner, Platter, Stelzer, Ludwig (von links). Burgenlands Landeshauptmann Doskozil war fürs Bild offensichtlich verhindert.

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Sie sind wieder da, Österreichs Landeskaiser und -fürsten. Mit dem großen Wiener Wahlsieger der SPÖ, Michael Ludwig, ist jetzt die Runde komplett.

In den letzten regionalen Wahlgängen haben die amtierenden Landeshauptleute – ob ÖVP oder SPÖ – durch die Bank in der Wählergunst dazugewonnen und ihre Bastionen zum Teil mächtig ausgebaut. Zuletzt etwa der Burgenländer Hans Peter Doskozil, der für die SPÖ die Absolute holte, Peter Kaiser, der in Kärnten mit einem Plus von zehn Prozent 2018 knapp an einer Absoluten vorbeigeschrammt ist, Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter, der – ebenfalls 2018 – fünf Prozent zulegte, oder auch Johanna Mikl-Leitner, die in ihrem niederösterreichischen ÖVP-Kerngebiet die Absolute verteidigte.

Existiert hier ein durchgehendes Muster? Woran liegt es, dass die "Landesfürstentümer" eine Renaissance erleben?

"Ich glaube auch, dass es einen weiteren Trend hin zur Ebene der Persönlichkeit gibt. Persönlichkeiten an der Spitze gewinnen speziell in Krisenzeiten an Bedeutung", sagt der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser. Aber es spiele in Österreich auch "dieses gewisse Bauchgefühl der Balance" eine Rolle. Werde der Bund als zu mächtig wahrgenommen, "werden die Länder stärker gewichtet", sagt Kaiser.

Manchmal, so habe er es persönlich erlebt, gleite man langsam in die Rolle des "Landesvaters" hinein. "Die ersten zwei Jahre war ich der Neue, im dritten Jahr dann schon ‚unser Landeshauptmann‘, und das steigert sich dann. Wobei ich einen sehr kritischen Blick darauf habe und mich ständig hinterfrage."

Bedürfnis nach Autorität

"Es ist in der Literatur gut belegt, dass in Krisenzeiten ein starkes Bedürfnis nach Autoritäten und Kompetenz vorhanden ist und Amtsinhaber, die ein konventionelles, traditionelles Rollenbild anbieten, gefragt sind. Der Wunsch nach großen Veränderungen und Experimenten ist in Krisenzeit nicht allzu groß", sagt Reinhard Heinisch, Leiter der Abteilung Politikwissenschaft an der Universität Salzburg.

Wenn auch die Bedeutung der Landeshauptleute wieder größer geworden sei, die alten Klischees der "Landesfürsten" seien passé. "Die neue Politikergeneration poltert nicht mehr so laut wie ihre Vorgänger, sie üben die Macht indirekter aus", sagt Heinisch.

Sein Grazer Kollege Klaus Poier von der Uni Graz kann mit dem Bild des Landesfürstentums ohnehin nichts anfangen. Poier sieht im Grunde keine Renaissance dieser altherrschaftlichen Politikattitüden, sondern in erster Linie das Ergebnis banaler, aber mächtiger politischer Veränderungen. In der Zeit, als die FPÖ zunehmend gewann, nahm auch die Stärke der Landeshauptmannparteien in dem Maße ab.

Jetzt, da die FPÖ zerbröselt und an politischer Bedeutung verliert, fließen die Stimmen wieder zurück. Nicht eins zu eins, aber in der Tendenz, was im Umkehrschluss heißt: "Wenn die FPÖ wieder stärker wird, was ja nicht auszuschließen ist, schaut alles wieder anders aus", warnt Klaus Poier.

Monopolisierte mediale Präsenz

Dass die Landeshauptleute einen doch beträchtlichen Zuspruch in den Ländern erhalten, liegt nach Poier aber auch daran, dass die mediale Konkurrenz in den Ländern gering sei. Soll heißen: In den Bundesländern können die Landeshauptleute "in monopolisierten Medienauftritten" glänzen. Mediale Opposition findet kaum statt.

Natürlich spiele die mediale regionale Präsenz auch eine große, Rolle, sagt Peter Kaiser. "Der persönliche Bezug ist weitaus enger als in der Bundespolitik. Man kann dem Landeshauptmann immer wieder direkt begegnen, und dann sieht man ihn zur Bestätigung auch noch im Fernsehen. Das schafft ein anderes Verhältnis, als wenn man bloß virtuell kommuniziert."

Poier meint, dass auch die Themensetzungen den Landeshauptleuten zupasskommen. Heikle Materien wie die Corona-Epidemie oder die Migration sind in den Bund ausgelagert. Natürlich spielen auch "regionale Spezialitäten" eine Rolle, die die Stärke der Landeshauptleute begründen, sagt die Kärntner Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Hans Peter Doskozil etwa hatte im Bundesland keinen Gegner, detto Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Mikl-Leitner oder zuletzt Michael Ludwig.

Die faktische Macht

Auch wenn Landeshauptleute eher mit Ehrungen, Krönungen von Weinköniginnen oder fürstlichen Empfängen im Bild sind, dürfe die faktische Macht der Länderchefs nicht unterschätzt werden.

"Man schielt immer auf die Gesetzgebung oder gesellschaftliche Themen, wo die Länder wenig mitzureden haben, aber in der Vollziehung der Gesetze spielen die Länder eine enorme Rolle – von den Schulen über die Pflege bis zum Contact-Tracing", sagt Klaus Poier.

"Was wirklich zu wenig beachtet wird: Die Landeschefs haben hier eine enorme Machtfülle, die sie auch über die Landeshauptleutekonferenz ausspielen können. Nicht die Macht innerhalb der eigenen Parteien zu vergessen", unterstreicht der Salzburger Politologe Heinisch. Was jedenfalls mehr denn je gelte: "Ohne Landeshauptleute geht in Österreich gar nix." (Walter Müller, 13.10.2020)