Zehn Prozent haben Kleinparteien wie etwa "Bier" gewählt. Im Gemeinderat sind diese Wählerinnen und Wähler nicht vertreten. Die Parteien haben die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft.

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Wien – Nicht im Bezug auf das Ergebnis, sondern auch demokratiepolitisch brachte die Wiener Wahl durchaus überraschende Tendenzen – etwa die Stärke der kleineren Parteien. Links und Bier liegen bei etwa zwei Prozent, Soziales Österreich der Zukunft (SÖZ) etwas dahinter. Und auch das Team Strache, das laut aktueller Hochrechnung mit 3,6 Prozent den Einzug in den Gemeinderat verpasst, fällt in diese Kategorie. Daraus ergibt sich: Bei nahe jede zehnte abgegebene Stimme ist nicht im Gemeinderat repräsentiert.

Zu hohe Hürde?

Ist die Hürde mit fünf Prozent also zu hoch, und sollte die Sperrklausel generell überdacht werden? Gerd Valchars, Politikwissenschafter an der Uni Wien, wägt ab. In Wien sei die Hürde zwar höher als bei Nationalratswahlen (vier Prozent), im Deutschen Bundestag liege die Sperrklausel aber auch bei fünf Prozent. "Ich würde daher nicht sagen, dass diese Höhe per se antidemokratisch ist."

Außerdem könne man im Erstarken der Kleinparteien nicht von einer Entwicklung sprechen, meint der Experte. Anders als bei den Nichtwählern, die mit Ausnahmen von Wahl zu Wahl immer mehr werden, gibt es eine solche Tendenz in der Unterstützung für kleinere Parteien nicht.

Gründe für eine hohe Latte

Ein Grund dafür, sich die Latte hochzulegen, liegt laut Valchars in der Behauptung, dass Parlamente arbeitsfähiger seien, wenn das Plenum weniger fraktioniert ist. "Das glaube ich nicht. Ich denke, es wäre möglich, einen Landtag mit sieben oder acht Fraktionen zu haben."

Ein weiterer Grund für die Sperrklausel: Die Koalitionsbildung ist einfacher. "Wir haben alle etwas davon, wenn sich eine Koalitionsfindung nicht über Monate zieht. Das stärkt Demokratie an sich." Das Fazit des Politikwissenschafters: "Natürlich, es ist mühsamer mit mehr Parteien, aber Demokratie ist halt mühsam."

Zwei unterschiedliche Wahlen

Valchars führt aber auch ein Argument gegen die Fünfprozenthürde an: Wenn man als Wähler um die Hürde weiß, die Umfragen aber überhaupt nicht in diese Richtung gehen, würden einige dazu neigen, aus taktischen Gründen eine andere Partei zu unterstützen. Dass die Kleinparteien aber im Bezirksrat vertreten sind, mache die fehlende Repräsentanz von zehn Prozent der abgegebenen Stimmen nicht wett: "Das sind zwei unterschiedliche Wahlen, die man auch getrennt voneinander betrachten sollte." (Lara Hagen, 12.10.2020)