Wien – Nach der Abberufung des Militär-Imams beim Bundesheer durch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Donnerstagabend reagiert die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) mit Bedauern: "Leider scheint es zur Normalität zu werden, dass Entscheidungen von Ministerien nur noch via Medien kommuniziert werden", zeigt sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural, verwundert.

Der abberufene Militär-Imam des Bundesheers hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe am Freitag zurückgewiesen. Er habe Jihadistenvideos "nie in meinem Facebook-Auftritt geteilt, noch teile ich diese Ideologie", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF.
Foto: APA / Hans Klaus Techt

Ein Ex-Jihadist – als selbsternannter "Islamistenjäger" auftretend – habe in einem Youtube-Video schwere Vorwürfe gegen den langjährigen Militär-Imam erhoben, moniert die IGGÖ. Das Verteidigungsministerium habe daraufhin eine Entscheidung getroffen, ohne die Gemeinschaft vorab zu informieren.

Der abberufene Militär-Imam des Bundesheers hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe am Freitag zurückgewiesen. Er habe Jihadistenvideos "nie in meinem Facebook-Auftritt geteilt, noch teile ich diese Ideologie", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF.

Geheimdienstliche Prüfung

Im Ministerium beruft man sich darauf, dass das Abwehramt im Rahmen einer Schnellprüfung der Vorwürfe die Abberufung des Militärpredigers empfohlen hat. Das Abwehramt (AbwA) gilt quasi als Werksschutz des Bundesheeres. Ihm obliegen unter anderem die sogenannten Verlässlichkeitsprüfungen.

Diese Überprüfungen betreffen unterschiedlich eingesetzte Soldaten unterschiedlich: Wer als Grundwehrdiener etwa ein Panzerabwehrrohr zu bedienen hat, der verfügt über kein schützenwertes Geheimwissen: "Was soll der schon erzählen? Dass beim Bundesheer das Par66 verwendet wird? Und wem soll er das erzählen? Etwas anderes ist das schon bei einem Kraftfahrer eines Brigadekommandanten – der könnte gewisse Gespräche mitbekommen. Daher wird der näher angeschaut. Und so geht das je nach Verwendung weiter", erklärt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Militärseelsorger hätten vor allem bei Auslandseinsätzen große Bedeutung: Vor allem, wenn sie mit den Soldaten mitleben und etwa bei Patrouillen mitfahren oder mitmarschieren, werden Vertreter jeglicher Religionsgemeinschaft zum "Beichtvater" – nicht nur die katholischen Geistlichen. Dennoch werden weder katholische noch sonstige Seelsorger speziell auf Verlässlichkeit geprüft – wohl aber würde beobachtet, ob irreguläre Vorfälle gemeldet werden. Eine Hasspredigt des muslimischen Militärseelsorgers hätte sich wahrscheinlich bis zum Geheimdienst herumgesprochen.

Bisher nicht negativ aufgefallen

Der nun abberufene langjährige Imam des Bundesheers sei weder der IGGÖ noch dem Verteidigungsministerium oder seiner Kollegenschaft in der Vergangenheit jemals negativ aufgefallen, hält IGGÖ-Präsident Vural fest. Im Gegenteil: Der ausgebildete Jurist und Religionspädagoge sei für seine Tätigkeit stets hoch geschätzt worden.

"Imame haben Vorbilder zu sein. Sie müssen für Besonnenheit, Verfassungstreue und interreligiösen Frieden stehen. Das war von Anfang an mein Standpunkt. Daher werden wir die Causa gewissenhaft prüfen und unsere Entscheidung direkt dem Ministerium mitteilen", erklärt Vural in einem Statement.

Im Ministerium erinnert man sich daran, dass schon einmal ein Militär-Imam abberufen wurde – damals auf Wunsch der Religionsgemeinschaft. Die Vereinbarung über die seelsorgerische Betreuung muslimischer Soldatinnen und Soldaten besteht seit 2015 zwischen dem Verteidigungsministerium und der IGGÖ. Daher ist diese Tätigkeit im Bundesheer unabhängig von der aktuellen Entscheidung weiterhin gewährleistet. (Nina Weißensteiner, Conrad Seidl, 23.10.2020)