Eigentlich sollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag nach Wien reisen und Bundeskanzler Sebastian Kurz treffen. Aus diesem Treffen wird Corona-bedingt erst einmal nichts.
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Sebastian Kurz saß Montagabend bei Armin Wolf am Küniglberg im Studio, um ein Gespräch über den Lockdown für die ZiB 2 aufzuzeichnen. Sein Pressesprecher erhielt eine erste Nachricht von einer Schießerei in der Wiener Innenstadt. Es wurde rasch deutlich, dass es sich um einen Terroranschlag handeln dürfte. Die Cobra übernahm den Personenschutz für den Kanzler und eskortierte ihn wieder in die Innenstadt.

Die erste Krisensitzung fand im Innenministerium statt, Kurz verteilte Rollen und Aufgaben. Es war auch rasch klar, dass sich der Kanzler in einer Rede an die Öffentlichkeit wenden müsste, und zwar umgehend am Dienstag, egal wie viel man zu diesem Zeitpunkt schon wissen würde.

Feilen an der Rede

Man wusste: Ein 20-jähriger IS-Sympathisant hat vier Menschen ermordet. Der Anschlag war offenbar islamistisch motiviert. Die Rede, die Kurz halten würde, ging schließlich durch mehrere Hände, da wurde intensiv daran gefeilt. Es war auch klar, dass das nicht nur an die Menschen in Österreich gerichtet sein würde, sondern auch international Aufmerksamkeit finden würde. Für manche politische Beobachter war es überraschend, dass Kurz bei seiner Ansprache nach dem Terrorakt nicht die Anklage gegen den politischen Islam in den Mittelpunkt gestellt hatte. Der Anlass hätte das nahegelegt, und schließlich ist der Kampf gegen den politischen Islam ein permanentes Wahlkampfthema der ÖVP.

Kurz überließ diesen Reflex vorerst der FPÖ und richtete verbindende, wenig anklagende Worte an die Bevölkerung. Er fand dafür auch Beifall in den Medien, wo die die kluge Wahl der Worte betont wurde. Die Rede sei der Situation angemessen gewesen. Deeskalierend, aber entschlossen.

Nicht Christen gegen Muslime, sondern gegen die, die Krieg wollen

Den Anschlag dürfe man nicht als Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslime verstehen, hatte Kurz erklärt. "Es ist ein Kampf zwischen den vielen Menschen, die an den Frieden glauben und jenen wenigen, die sich den Krieg wünschen." Der Feind sei der islamistische Extremismus, nicht alle Angehörigen einer Religion. Und jetzt würde man die Hintermänner jagen.

Es wäre ein Leichtes gewesen, an dieser Stelle den politischen Islam zu verurteilen, aber Kurz wollte bewusst beruhigen und keine Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufbringen, was vermutlich mit wenigen Andeutungen möglich gewesen wäre. Wegen eines Attentäters und vielleicht hundert Gefährdern sollte nicht eine ganz Bevölkerungsgruppe gebrandmarkt werden. Jetzt gehe es darum, zusammenzuhalten, egal welcher Religion man sich zugehörig fühle.

Macron-Besuch abgesagt

Der Kampf gegen den politischen Islam bleibt aber auf der Agenda der ÖVP, und sie wird diesen auch wieder offensiver kommunizieren. Kurz will dieses Anliegen verstärkt auf eine europäische Ebene heben. Bereits am Montag sollte auf Einladung von Kanzler Kurz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Verbündeter nach Wien kommen – zum Gedenken an die Terroropfer, aber auch, um über gemeinsame europäische Initiativen im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und den politischen Islam zu beraten.

Dieser Besuch fällt nun allerdings aufgrund der sich weiter zuspitzenden Corona-Situation in Europa für unbestimmte Zeit aus.

Stattdessen soll Anfang kommender Woche eine Videokonferenz zum Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und den politischen Islam stattfinden. Nähere Details dazu sollen in den kommenden Tagen folgen, hieß es weiter. (Michael Völker, APA, red, 4.11.2020)