1.500 Zivildiener mussten im Frühling zwangsweise um drei Monate verlängern. Laut Zivildienstministerium ist Derartiges für die neuerliche Hochphase der Pandemie nicht geplant.

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Es war eine der vielen Überraschungen beim Ausbruch der ersten Corona-Welle im März. Erstmals in der Geschichte wurde in Österreich ein außerordentlicher Zivildienst ausgerufen – 1.500 Zivildiener mussten ihren Einsatz zwangsweise um drei Monate verlängern, 3.000 ausgediente Männer kehrten zudem freiwillig für ein paar Monate wieder zurück in Krankenwagen, Altenheim und Co. Die Regierung begründete die Maßnahme damals mit der zu befürchtenden Überlastung des Gesundheitssystems. Die Lage entspannte sich dann aber recht rasch, manch außerordentlicher Zivildiener wurde im April gar nicht erst zugewiesen, und im Juli beendeten die letzten Sonder-Zivis ihren Einsatz. Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erklärte damals, die Aktion habe "wesentlich dazu beigetragen, dass wir die Krise bisher so gut bewältigt haben".

Nun zeigt sich angesichts massiver Infektionszahlen, dass die zweite Welle das Gesundheitswesen wohl noch im November an seine Kapazitätsgrenzen bringen wird. Von einer neuerlichen Ausrufung eines außerordentlichen Zivildienstes ist laut Köstingers Ministerium derzeit allerdings keine Rede. Es gebe dafür "keine aktuellen Pläne", heißt es auf Anfrage. Der außerordentliche Zivildienst sei aber "eine strategische Reserve für den Fall, dass dauerhafte Überbelastungen der Gesundheits- und Betreuungssysteme drohen".

Entlassung nach 24 Tagen Krankenstand

Unter regulären Zivildienern kursiert unterdessen Sorge wegen der 24-Tage-Regel, deren Auslegung in Corona-Zeiten besondere Bedeutung erfährt. Das Gesetz schreibt nämlich fest, dass Zivildiener, die insgesamt 24 Tage dienstunfähig sind, automatisch entlassen werden. Die restliche Zeit verfällt freilich nicht, sondern muss zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, je nach Bedarf auch bei einer anderen Einrichtung.

Bedenkt man, wie lange sich eine Corona-Infektion hinziehen kann, ist ein beträchtlicher Teil der 24 Tage bald einmal weg, sofern man sich ansteckt. Für die Zivildienstagentur kommt es allerdings entscheidend darauf an, wo man sich angesteckt hat: Wenn ein Zivildiener nachweisen kann, dass er sich während der Arbeit infiziert hat, wird sein Krankenstand nicht vom 24-Tage-Kontingent abgezogen. Man könnte also auch einen Monat krank sein, ohne entlassen zu werden. Ganz anders sieht es aus, wenn man Sars-CoV-2 in der Freizeit erwischt hat: Dann wird die Abwesenheit voll vom 24-Tage-Kontingent abgebucht.

Ansteckungsquelle nachweisen

In Mails an die Redaktion kritisieren Zivildiener diese Diskrepanz, weil es in Zeiten kollabierenden Contact-Tracings unrealistisch sei, den eigenen Ansteckungsort dingfest zu machen: In der Gesamtbevölkerung können drei Viertel der Neuinfektionen nicht mehr rückverfolgt werden. Gerade für Zivildiener, die mit vielen hilfsbedürftigen Menschen Kontakt haben, ist die Zuordnung einer Infektion nicht einfach. Wäre es da nicht sinnvoller, alle Corona-positiven Zivis gleich zu behandeln, egal wo sie sich mutmaßlich infiziert haben?

Die Zivildienstserviceagentur will weiterhin an ihrem Unterscheidungskriterium Arbeitszeit/Freizeit festhalten, wie sie dem STANDARD mitteilt: Wenn es in der Einrichtung eines Corona-positiven Zivildieners keine anderen Personen mit positiven Tests oder Symptomen gebe, sei "davon auszugehen, dass sich der Zivildiener außerhalb der Einrichtung in seiner dienstfreien Zeit infiziert hat". Gebe es hingegen andere erkrankte beziehungsweise positive Personen in der Einrichtung, könne man von einer Ansteckung in der Arbeit ausgehen.

Dienstfähig in Quarantäne

Noch komplizierter wird die Situation, weil auch Quarantäne nicht gleich Quarantäne ist. Denn nur wer sich mit positivem Test in Quarantäne befindet, wird als "dienstunfähig" gewertet. Faktisch kann man aber auch dann nicht zur Arbeit erscheinen, wenn man als K1-Person eingestuft wird und mit negativem Ergebnis behördlich in Quarantäne geschickt wird. Doch in diesem Fall wird die Quarantänedauer von der Zivildienstagentur nicht als "Dienstunfähigkeit" gezählt, sondern als entschuldigtes Fernbleiben vom Dienst. Diese Zeit wird somit nicht vom 24-Tage-Kontingent abgebucht – und das gilt unabhängig davon, ob der Kontakt mit einem Infizierten von der Arbeit oder der Freizeit herrührt, denn dieses Kriterium spielt für den Quarantänebescheid der Gesundheitsbehörden keine Rolle.

Fragt sich noch, wie viele Zivildiener derzeit überhaupt Corona-positiv oder in Quarantäne sind. Die Altersgruppe der jungen Erwachsenen ist unter den Infizierten ja überproportional vertreten, und die Kontakte zur Risikogruppe sind durch den Umgang mit Kranken und Alten automatisch eng, was trotz Schutzmaßnahmen nicht ungefährlich erscheint. Die Zivildienstagentur kann dem STANDARD jedoch keine Zahlen nennen, weil ihr die einzelnen Einrichtungen diese Daten nicht übermitteln müssen – und das offenbar auch nicht von sich aus tun. (Theo Anders, 12.11.2020)