Sie haben zwar ganz unterschiedliche Arbeit geleistet, aber in einem sind sich der Leiter des Entschärfungsdiensts (DSE) und Chefinspektor Kurt Herwey, der im Landeskriminalamt den Assistenzbereich 7 – Tatort – leitet, einig: Der Einsatz am Montag hat sich von anderen nicht unterschieden. Zumindest, was die konkrete Arbeit anlangt – und auf die sei man ja zu 100 Prozent fokussiert. "Als Entschärfer müssen wir uns auf so etwas vorbereiten. Für uns ist das kein Extremfall. Natürlich kommt die chaotische Situation, die dann am Tatort herrscht, dazu. Aber wir sind vorbereitet", sagt der Leider des Entschärfungsdienstes. Allerdings: "Ich mache diesen Job seit 29 Jahren. Diese mediale Aufmerksamkeit habe ich so natürlich noch nie erlebt", sagt Herwey von der Tatortgruppe.

Zu dieser Aufmerksamkeit gehört auch, dass der Chefinspektor einen Einblick in seine Arbeit gibt. Wobei – allzu viele Details könne er auch nicht verraten, aus kriminaltaktischen Gründen. Bevor er die Tatortsicherung erläutern kann, kommt aber der Entschärfungsdienst zum Zug. Seit Juni 2013 ist der Entschärfungsdienst ESD des Innenministeriums beim Einsatzkommando Cobra in der Direktion für Spezialeinheiten (DSE) angesiedelt.

Um den anwesenden Journalisten den Einsatz zu erklären, wird ein Vorfall simuliert, der stark an Montag erinnert: Es gab aggressive Handlungen mit Waffen, womöglich ist Sprengstoff involviert, die Person wollte einen Anschlag verüben, wurde gestellt und getötet. Nun soll die Gefahrenlage geprüft und der Tatort für die weitere Arbeit gesichert werden. Dafür kommen zwei Roboter zum Einsatz – wie am Montag.

Foto: Newald

Am Boden im Innenhof der Rossauer Kaserne liegt eine Puppe. Roboter Telemax soll klären, ob die Person tatsächlich Sprengkörper trägt, und diese dann entschärfen. Telemax wiegt um die 80 Kilo und ist sehr kompakt – was Vor- und Nachteile hat, wie der Leiter des Entschärfungsdienstes erklärt. In dieser Situation sind vor allem seine Kameras wichtig – er verfügt über mehrere, von einer Zoom-Kamera bis zu einer Wärmebildkamera. Außerdem könnte er bestimmte Gegenstände auch öffnen, kann röntgen und bei Bedarf Funkverbindungen zerstören.

Roboter mit vielen Kameras

In dieser simulierten Situation rollt Telemax auf die Puppe zu – gesteuert wird er aus dem Einsatzwagen von einem Mitglied des Entschärfungsdiensts, ein kleiner Monitor mit einer Art Joystick steht vor ihm. Drei Teams – das sind insgesamt sechs Entschärfer – seien jeweils 24 Stunden einsatzbereit, ein weiteres Team ist in Reserve. Roboter wie Telemax gibt es an mehreren Standorten in Österreich. Wichtig: Jeder Schritt werde kommuniziert – nicht nur untereinander im Team, sondern auch mit der Einsatzzentrale.

Telemax hat einstweilen die Puppe im Fokus – am Bildschirm im Einsatzfahrzeug ist zu erkennen, dass die Person eine Handgranate eingesteckt hat. "Mit diesem Roboter ist hier die Grenze erreicht", erklärt der Leiter, denn Telemax habe nicht die Hubkraft, die es brauche, um Körper zu drehen, was in so einem Fall unter Umständen notwendig sei.

Weitergearbeitet wird deswegen mit Teodor – auch er kam Montagnacht zum Einsatz. Er wiegt mit 180 Kilo etwa 100 Kilo mehr als Telemax und sei deswegen auch viel schwerer zu bedienen, erläutert der Teamleiter des Entschärfungsdienstes. Ursprünglich sei der Roboter für das Bergen von Minen entwickelt worden – mit ihm können also auch Körper gedreht oder sehr schwere Gegenstände gehoben werden.

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Bevor Teodor die Granate entfernt, muss das Umfeld geräumt sein. Im Innenstadtgebiet sei das natürlich eine große Herausforderung, spielt der Leiter auf Montag an. Die vielen Fenster wären bei einer Explosion ein großes Problem. Am Montag habe es einen inneren und einen äußeren Sperrkreis gegeben, weil eine absolute Räumung des Gebiets allein deswegen schwierig war, weil nicht klar war, ob noch weitere Täter unterwegs waren, sagt er.

Wenn der Gegenstand vom Roboter entnommen wurde, bringt er diesen an einen sicheren Ort und macht Röntgenaufnahmen, erst dann kommen die Mitglieder des Entschärfungsdienstes zum Einsatz. Am Montag stellte sich nach der ganzen Roboterarbeit heraus, dass der Täter drei Getränkedosen mit Klebeband eng am Körper befestigt und eine Art Metallring herumgelegt hatte, damit es wie ein Sprengstoffgürtel aussieht. Was der Entschärfungsdienst auch macht, weil oft nicht klar ist, ob der Täter weitere Sprengkörper am Körper trägt – diese könnten laut dem Gruppenleiter auch teilweise so klein wie ein Daumen sein –, ist, die Personen zu entkleiden – und zwar ganz. "Um die Pietät zu wahren, ist da ein Zelt aufgestellt, damit Sichtschutz besteht. Bei der Simulation heute ist das nicht so." Am Montag sei der Täter allerdings nicht entkleidet worden, nachdem festgestanden ist, dass der Gürtel eine Attrappe ist.

Über die Einsätze sprechen

Zeit für die Tatortsicherung. Drei bis fünf Kollegen seien hier normalerweise im Einsatz, sagt Kurt Herwey. Am Montag seien alle verfügbaren Teams – vier – einberufen worden, knapp eine Stunde später seien alle in der Innenstadt gewesen. Wie das war vor Ort? "Für uns ist das Wichtigste, ganz genau zu arbeiten und alle Spuren – im Normalfall 200 bis 300 – zu sichern. Da blendet man das Motiv komplett aus", sagt Herwey. Anschließend sei es natürlich wichtig, über schwierige Einsätze zu sprechen, zum Beispiel "bei einem guten Mittagessen". Herwey und sein Team sehen viele Leichen, mit denen sie sich "stundenlang" beschäftigen. "Die Techniken kann man alle lernen. Aber ob man psychologisch in der Lage ist, mit Leichen zu arbeiten, das kann man nicht lernen."

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Die Tatortarbeit beginne immer mit der Dokumentation – sowohl fotografisch als auch maßtechnisch mit Lasern oder Plänen. Drei in Schutzanzügen bekleidete Mitglieder der Tatortgruppe gehen auf die Puppe zu, fotografieren und nummerieren Spuren. "Ihnen sind in der Innenstadt sicher auch schon die Bodenmarkierungen aufgefallen", sagt Herwey, diese stammen ebenfalls von der Tatortgruppe. Die Buchstaben, die auf den Boden gesprüht wurden, stehen dabei für die unterschiedlichen Sektoren.

Hände in Papiersackerln

Nach der Dokumentation gibt es eine polizeiliche Kommission. Wenn Fremdverschulden nicht ausgeschlossen werden kann, wird hier entschieden, über die Staatsanwaltschaft einen Gerichtsmediziner anzufordern. "Es ist für diese Kollegen ganz wichtig, auch am Tatort und nicht nur bei der Obduktion dabei zu sein", sagt Herwey. Am Montag sei ja bereits klar gewesen, dass Fremdverschulden vorlag, deswegen wurde der Journaldienst der Staatsanwaltschaft schon früher kontaktiert.

Die Spurensicherung läuft weiter – Faserspuren werden gesichert, auf weitere Details geht Herwey nicht ein. Seine Kollegen packen die Hände der Puppe nun in Papiersackerl, die sie zukleben. "Für den Transport in die Gerichtsmedizin, um mögliche Schmauchspuren zu schützen." Ganz allgemein seien die Fingerabdrücke wesentlich, um den Täter zu identifizieren. Sie werden schon am Tatort genommen. Am Montag habe es etwa drei Stunden gedauert – vom "Ausschalten" des Täters, bis die Identität feststand, gibt Herwey einen Einblick. Das sei schon sehr schnell gegangen, sagt auch der Entschärfer.

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Während der Chefinspektor spricht, packen Herweys Kollegen die Puppe in einen Leichensack, den sie versiegeln. Nun stünde der Abtransport in die Gerichtsmedizin bevor. Dem Tatortteam bleibt dann noch die Vermessung des Tatorts mit dem Laserscanner – "bis auf Zehntelmillimeter genau". Damit ist die Arbeit am Tatort vorbei, und es geht ins Büro, um die Spuren auszuwerten und zu analysieren.

In einer Stunde ist alles erledigt. Das sei natürlich nur bei dieser Simulation möglich. Beide Beamte unterstreichen nochmals, dass man sich das alles natürlich komplexer vorstellen müsse. Sie verabschieden sich von den Journalisten und voneinander. "Bis bald", sagt Herwey. Der Entschärfer antwortet lachend: "Na hoffentlich nicht so schnell wieder!" (Lara Hagen, 7.11.2020)