Trotz Verbesserungen für den Grundwehrdienst, die mehr junge Männer beim Bundesheer halten sollen, halten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihre für den Zivildienst zuständige Regierungskollegin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) daran fest, schon ab dem Jahreswechsel auch teiltaugliche Burschen einzuziehen – wovon die Grünen allerdings erst noch überzeugt werden müssen.

Spärliche Angelobung am Nationalfeiertag wegen Corona: Hinter den Kulissen liefert sich Türkis-Grün ein Tauziehen um die Teiltauglichkeit.
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In ihrem Regierungspakt haben Türkis und Grün zwar das türkis-blaue Vorhaben fortgeschrieben, dass es künftig zwei Tauglichkeitsstufen geben soll, nämlich "volltauglich" und "teiltauglich", um mehr Männer ab 18 in die Pflicht nehmen zu können. Doch hinter den Kulissen spießt es sich jetzt zwischen den Koalitionspartnern – aus mehreren Gründen.

Fest steht, dass dem Bundesheer wie den Blaulichtorganisationen seit Jahrzehnten die Zahl an Wehrpflichtigen zusammenschrumpft – wegen geburtenschwacher Jahrgänge und zunehmend geltend gemacht werdender physischer wie psychischer Beeinträchtigungen.

Konkret waren 2019 von 44.823 Stellungspflichtigen nur 29.833 tauglich – was etwa 66,5 Prozent entspricht. 9.887 von ihnen, und damit etwa 22 Prozent, wurden als untauglich eingestuft. Bei 5.103 Stellungspflichtigen, also an die 11,4 Prozent, blieb eine Einstufung vorläufig offen. Von den Wehrpflichtigen entschieden sich im Vorjahr dann 16.317 für den Dienst an der Waffe – und damit 54,7 Prozent. 13.516 gaben eine Zivildiensterklärung ab, also rund 45,3 Prozent.

Auch Pandemie und Terror drohen

Obwohl Militärexperten insistieren, dass die derzeit neun Tauglichkeitsstufen zur Feststellung des Zustandes bei der Musterung ausreichen und ein Herumdoktern daran nur einige hundert zusätzliche Grundwehrdiener pro Jahr mehr bringen, bleibt Tanner auf STANDARD-Anfrage dabei, dass ab 2021 Teiltaugliche einrücken müssen, denn: "In Zeiten von Naturkatastrophen und Migration sowie von Pandemie und Terror zeigt sich, wie wichtig der Dienst für unsere Gesellschaft ist." Zudem sei es ihr ein Anliegen, dass mit einem vermehrten Ableisten des Grundwehrdienstes das Bundesheer "verstärkt in die Mitte der Gesellschaft rückt".

Angesichts des Tauziehens mit Grün um eine rasche Einführung der Teiltauglichkeit verweist man in der ÖVP auch auf "einen gültigen Regierungsbeschluss", der von Tanner und Köstinger eingebracht wurde und in dem explizit festgehalten werde, dass die Neuerung mit 1. Jänner vorgesehen sei. Doch die Grünen hegen gegen eine überstürzte Einführung Bedenken, wie deren Wehrsprecher David Stögmüller erklärt: "Ich sehe keinen Grund dafür, hier überhastet zu handeln. Dafür sind noch zu viele Frage offen."

Er verweist unter anderem darauf, dass eine Einführung der Teiltauglichkeit rechtlich als umstritten gilt: Gemäß einem Spruch des Bundesverwaltungsgerichtshofes Ende der Achtzigerjahre müssen für den Wehrdienst als fähig befundene Männer eine Waffe bedienen können und einem Mindestmaß an körperlicher Kraftanstrengung unterzogen werden können – selbst wenn sie sich für das Ableisten von Zivildienst entscheiden sollten, weil dieser als Ersatzdienst gilt. Auch Verfassungsrechtler haben bereits darauf hingewiesen, dass man schwer jemanden als wehrtauglich befinden kann, der von vornherein nur als bürotauglich gilt.

Mehr für Zivis gefordert

Dazu macht Stögmüller geltend: "Was passiert mit den Daten von Teiltauglichen bei der Zivildienstserviceagentur – von der Lebensmittelunverträglichkeit bis zum Umstand, dass jemand im Rollstuhl sitzt?", fragt der Grüne, der sichergestellt haben will, dass solche Daten – wenn überhaupt – nur äußerst behutsam verarbeitet werden.

Zu alledem wollen die Grünen vor einer Zustimmung auch spürbare Verbesserungen für Zivildiener: Sie begrüßen zwar, dass Grundwehrdiener, die ihren Dienst etwa für Assistenzeinsätze an der Grenze um drei Monate verlängern, ab April mit rund 3000 Euro netto im Monat entlohnt werden. Ebenso sei mit Oktober das Tageskostgeld für die Verpflegung von Soldaten inflationsangepasst und so von 4 auf 5 Euro erhöht worden.

Stögmüller besteht aber auch auf eine Inflationsanpassung des Tagsatzes für Zivildiener, denen in ihren neun Monaten Dienst ebenfalls "angemessene Verpflegung" zusteht. Er möchte, dass die rund 15 Euro für Zivis auf 19,80 Euro angehoben werden.

Fest steht bis jetzt aber nur, dass Tanner und Köstinger demnächst zu einem Infotermin laden, wie die Stellung nun speziell "in Zeiten von Corona" abgewickelt wird. (Nina Weißensteiner, 9.11.2020)