Unermüdliche Arbeiterin: Eine Biene bei der Arbeit in der Blüte einer Sonnenblume.

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Die Bedeutung bestäubender Insekten für intakte Ökosysteme ist enorm, aber auch in der Weltwirtschaft spielen die Tierchen eine beachtliche Rolle. Forscher der Universität Hohenheim in Stuttgart haben nun in Simulationsrechnungen zu quantifizieren versucht, wie groß die wirtschaftliche Leistung der Tiere ist. Das Ergebnis: Eine Billion US-Dollar oder etwa ein Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts ist die Arbeit der Blütenbestäuber wert. Allein in Deutschland würde die Gesellschaft bei einem Wegfall aller Bestäuberinsekten im Durchschnitt rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr verlieren, heißt es in der Studie im Fachjournal "Ecological Economics".

In Europa leisten vor allem Bienen, aber auch Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten die Bestäubungsarbeit. In tropischen Breitengraden tragen aber auch Fledermäuse und Kolibris ihren Anteil dazu bei. Welche wirtschaftlichen Folgen es hätte, wenn alle Bestäuber mit einem Mal wegfallen würden, berechneten die Forscher um Christian Lippert nun in verschiedenen Modellrechnungen. "Bisher wurden solche Schätzungen auf der Basis von Annahmen zur langfristigen Anpassung der Agrarsysteme errechnet. Das ist aus unserer Sicht jedoch nicht korrekt, weil die langfristigen Anpassungsreaktionen sowohl der Agrarökosysteme als auch von Angebot und Nachfrage nicht absehbar sind", sagte Lippert.

Katastrophe als Gedankenspiel

Also simulierten die Forscher den wirtschaftlichen Verlust nur kurzfristig für das Jahr unmittelbar nach dem hypothetischen Ausfall aller Bestäuber, denn danach würden andere Mechanismen greifen und einen Teil wieder auffangen. So könnten in der Landwirtschaft beispielsweise verstärkt selbst- oder windbestäubte Sorten angebaut werden. "Die Landwirte können geringere Erträge bis zu einem gewissen Grad durch höhere Preise kompensieren. Aber der Verbraucher verliert auf jeden Fall, da er die gestiegenen Preise bezahlen muss. Deswegen wäre in jedem Fall der größte Teil des volkswirtschaftlichen Verlusts von den Verbrauchern zu tragen", so Lippert.

In die Simulationen flossen bereits bekannte Abhängigkeitsfaktoren ein. Diese geben für verschiedene Nutzpflanzenarten jeweils an, wie hoch der Anteil am Ertrag ist, der auf Tierbestäubung zurückzuführen ist. So sind bei Äpfeln und Kirschen beispielsweise im Durchschnitt etwa 65 Prozent des Ertrags der Bestäubung durch Tiere zu verdanken, bei manchen Pflanzen wie Kürbissen sind es sogar 95 Prozent. Getreidearten wie Weizen und Reis benötigen hingegen keine Fremdbestäubung.

Ernteausfälle imd Öko-Kollaps

Bei einem schlagartigen Wegfall aller Bestäuber würde es zu enormen Ernteausfällen kommen, der landwirtschaftliche Ertrag würde sinken und in der Folge würden die Preise steigen – bis das reduzierte Angebot und die nachgefragte Menge wieder übereinstimmen. Die Verbraucher wären gleich doppelt betroffen, weil weniger Obst und Gemüse erhältlich wäre und die verbleibende Menge mehr kosten würde.

"Natürlich können wir so nicht alle ökologischen Auswirkungen eines solch katastrophalen Ereignisses auf die Umwelt und den Menschen erfassen, die weit über die bloßen Schäden durch einen geringeren Ertrag hinausgehen", sagte Manuel Narjes, Mitautor der Studie. "Aber solche Schätzungen können das Bewusstsein für die Bedeutung intakter Ökosysteme schärfen und so einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten." (red, 19.11.2020)