Vor der Wahl wurde noch nicht gestritten: Hier im Bild Landesparteiobmann Gernot Blümel (ÖVP) und Landesgeschäftsführerin Bernadett Arnoldner mit einer riesigen Uhr samt Countdown bis zum Wahltag.

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Über Antonia Heiml will in der ÖVP Wien derzeit kaum jemand reden: Die Jungpolitikerin tauchte nach der Wiener Wahl unter und hebelte somit das parteieigene Vorzugsstimmensystem aus. Eigentlich hätten Jan Ledóchowski und Suha Dejmek-Khalil den internen Wettbewerb gewonnen, sie hätten dadurch in den Gemeinderat einziehen sollen. Das hätte jedoch nur geklappt, wenn alle Kandidaten auf den vorderen Listenplätzen verzichtet hätten – im Fall von Dejmek-Khalil wären das über 250 Personen. Eine von ihnen streikte, nämlich Heiml. Sie wurde deshalb ausgeschlossen.

Das Mandat, das sich Dejmek-Khalil durch ihre Vorzugsstimmen verdient hätte, wäre an Heiml "hängengeblieben". Deshalb setzte die ÖVP Wien das ganze System aus, nun sah auch Ledóchowski durch die Finger. Zurück bleiben viele Verlierer, die Mandate gehen nun an zwei Kandidatinnen, die sie aufgrund ihres Listenplatzes erhalten. Besonders heikel ist die Angelegenheit, weil die beiden Vorzugsstimmenkaiser dem stark christlichen Lager zuzuordnen sind und dort auch gepunktet haben.

Verschwörungstheorien

Gegenüber diesen Wählern müsse man nun die Glaubwürdigkeit erhalten, indem man die beiden in die Parteistrukturen einbindet, so eine Kennerin. Manche munkeln gar, dass die Parteispitze sich mit Heiml akkordierte, um das religiöse Lager zu schneiden. Das glaubt aber selbst dort kaum jemand. "Es ist hundertprozentig nicht die Schuld der Partei", sagt eine Funktionärin. Man habe "alles probiert", um Heiml zum Verzicht zu bewegen. Der Finanzminister soll sich persönlich auf den Weg zur Arztpraxis von Heimls Vater gemacht haben. Unklar bleibt, ob Heiml nicht ihr Amt als türkise Bezirksrätin in Donaustadt annimmt.

Der Fall Heiml ist aber nicht der einzige "kollegial erschreckende" Fall in der Wiener Volkspartei. Probleme gibt es auch im Wahlkreis Innen-West. Dort gab es am Anfang eine Abmachung unter den Spitzenkandidaten der einzelnen Bezirke: Wer die meisten Vorzugsstimmen erhält, der soll unabhängig des Listenplatzes in den Gemeinderat einziehen. Am meisten Vorzugsstimmen konnte dann tatsächlich nicht der Listenerste Josef Mantl (Josefstadt) erringen, sondern seine Parteikollegin Christina Schlosser (Neubau).

Keine Unterschriften

Doch Mantl wollte sein Mandat nicht abtreten. Der Vorwurf: Schlosser habe, entgegen der Vereinbarung, auch im achten Bezirk Wahlkampf gemacht. Nur einmal habe sie über der Bezirksgrenze Flyer verteilt, sagte diese dazu. Weswegen sogar die dritte in der Runde mit den zweitmeisten Vorzugsstimmen, Elisabeth Fuchs, zum Zug hätte kommen können. Eine Verschriftlichung der Vereinbarung existiert jedenfalls nicht.

Es folgte ein von der Landespartei einberufenes Treffen. Dort schlug Schlosser Mantl einen Kompromiss vor: "Ich habe meine Hand ausgestreckt und angeboten, das Mandat zu teilen", sagt sie. Vergeblich. Mantl nimmt sein Mandat an. "Die Rechtslage ist klar", sagt er. Und: "Ich freue mich auf die Arbeit." Die Entscheidung akzeptiere sie, sagt Schlosser dazu. "Aber menschlich finde ich es enttäuschend."

Wie wird man weiter vorgehen? Am Vorzugsstimmensystem will die Partei dem Vernehmen nach festhalten. Es habe sich bewährt und sorge dafür, dass alle Kandidaten "laufen", um Stimmen zu sammeln. Geprüft wird nun, wie man derartige Abmachungen besser rechtlich absichern könne. "Schade, dass das nötig ist", so ein Abgeordneter. (Vanessa Gaigg, Fabian Schmid, 20.11.2020)