Die türkis-grüne Bundesregierung will Österreich “bis spätestens 2040 klimaneutral” machen. Damit hat Österreich eines der ambitioniertesten langfristigen Klimaziele Europas. Auch wenn die bisherigen Maßnahmen der Regierung mit diesem Ziel bei weitem nicht Schritt halten können, gibt es kleine Fortschritte, etwa im Verkehrs- und Energiebereich. Außerdem wurde erst diesen Herbst der Beitrag Österreichs zur internationalen Klimafinanzierung erhöht: bis 2023 fließen nun 130 Millionen Euro in den Green Climate Fund, den Klimafonds der UN-Klimarahmenkonvention, aus dem Emissionsreduktion und Klimawandel-Anpassung in Ländern des Globalen Südens finanziert werden.

Diese Schritte bedeuten aber noch lange nicht, dass Österreich jetzt seinen gerechten Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise leistet. Denn ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Österreich wie alle westlichen Länder massive Klimaschulden angehäuft hat. Wollen wir wirklich einen angemessenen Beitrag leisten, müssen wir “unsere” Emissionen bis 2030 um mehr als 200 Prozent senken.

Ein klimagerechter Beitrag

Österreich gehört zu den am frühesten industrialisierten Staaten der Welt, schon seit rund 200 Jahren werden hierzulande klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre geblasen. Nicht zuletzt lässt sich auch unser heutiger Wohlstand auf den massiven Einsatz fossiler Rohstoffe zurückführen – mit bekannten negativen Folgen in anderen Teilen der Erde. Es bedeutet aber auch, dass Österreich bereits einen viel größeren Anteil der CO2-Senkenfunktion der Atmosphäre genutzt hat als ihm eigentlich zustehen würde, um die globale Erhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nach einer kürzlich erschienenen Analyse ist es trotz seiner kleinen Größe unter den 25 Nationen, die bisher am meisten zur Klimakrise beigetragen haben. Zudem wirkt die ökologische Bilanz Österreichs auch deshalb besser als sie ist, weil viele CO2-intensive Produkte aus anderen Staaten importiert werden und deren Emissionen nicht im heimischen Budget aufscheinen.

Um das 1,5-Grad-Limit mit relativ großer Wahrscheinlichkeit einzuhalten, dürfen wir global noch etwa 300 Gigatonnen CO2 ausstoßen. Allein 2019 betrugen die weltweiten CO2-Emissionen rund 38 Gigatonnen. Im Sinne der Klimagerechtigkeit kann das verbleibende Emissionsbudget nicht einfach entsprechend ihrer Bevölkerungsgröße auf die Länder der Erde aufgeteilt werden. Stattdessen müssen neben der historischen Verantwortung auch die Kapazitäten von Staaten und deren Bevölkerung, Beiträge zum Klimaschutz zu leisten, sowie deren Recht auf eine wirtschaftliche Entwicklung miteinbezogen werden.

"Climate justice now!"
Christian Bock/System Change, not Climate Change!

Forscherinnen und Forscher des Stockholm Environment Institute und der Organisation EcoEquity haben auf dieser Basis das Climate-Equity-Reference-Modell entwickelt, mit dem man den gerechten Beitrag eines jeden Landes zum Klimaschutz bis 2030 errechnen kann. Je nach Ambition der globalen Emissionssenkung und wie stark man verschiedene weitere Aspekte wie Einkommen und historische Verantwortung gewichtet, ergibt sich daraus: Österreich muss seine Emissionen bis 2030 um mindestens 200 Prozent senken. 

Logischerweise ist es unmöglich, dass Österreich diesen Beitrag allein mit Maßnahmen im eigenen Territorium schafft. Zusätzlich zu diesen braucht es dazu eine enorme Erhöhung der Klimafinanzierung – und ein neues Verständnis von dieser. 

Klimafinanzierung neu denken

Basierend auf dem Climate-Equity-Reference-Modell haben NGOs auf einer eigenen Website dargestellt, wie die gerechten Beiträge verschiedener Länder zu einem globalen 2030-Ziel aussehen könnten, inklusive Klimafinanzierung. Für Österreich ergibt sich eine nötige Emissionssenkung bis 2030 von etwa 250 Prozent im Vergleich zu 1990 (als sie etwa gleich hoch waren wie 2019), wovon rund 75 Prozentpunkte im Inland umgesetzt werden müssen. Die in Österreich derzeit ausgestoßenen Emissionen müssten also bis 2030 um 75 Prozent verringert werden, von derzeit 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten auf rund 20. Der größere restliche Teil des Beitrages im Umfang von 120 Millionen Tonnen muss in Zusammenarbeit mit anderen Ländern erreicht werden, konkret mit jenen, die bisher am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, aber am meisten unter ihr leiden. Österreich muss sich also umfassend an der Finanzierung nachhaltiger Energiesysteme in Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika beteiligen, diesen dafür Technologie zur Verfügung stellen und mit ihnen gemeinsam an einer schnellen und gerechten Transformation arbeiten.

Klimafinanzierung kann zum Beispiel für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden.
Screenshot: climatefairshares.org

Es ist schwierig, die genaue Höhe einer solchen Klimafinanzierung zu berechnen. Sie liegt jedenfalls um ein Vielfaches über den bisherigen Beiträgen Österreichs. Die Berechnungen des Climate-Fairshares-Projekts gehen von 7,5 Milliarden Dollar (6,3 Milliarden Euro) jährlich bis 2025 aus, was bis 2030 auf 9,3 Milliarden Dollar (7,8 Milliarden Euro) ansteigen sollte. Letzteres sind knapp zwei Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts von 2019. Mit diesem Geld könnte etwa eine erneuerbare Energieversorgung für neun Millionen bisher in Energiearmut lebende Menschen aufgebaut werden. Dabei gilt es nicht zu verwechseln: Solche Gelder wären weder klassische “Entwicklungshilfe”, noch Finanzierung für die Anpassung an Folgen der Klimazerstörung. Und sie dürfen auch nicht als Kompensation dafür missbraucht werden, im eigenen Land keine umfassende Energiewende umzusetzen. Sie sind schlicht Österreichs gerechter Beitrag zur Einhaltung der globalen Klimaziele, nur eben andernorts umgesetzt.

Wir brauchen auf internationaler Ebene ein neues Verständnis vom globalen Kampf gegen die Klimakrise. Er ist kein Wettlauf um die schnellste Emissionssenkung im eigenen Land – wovon wir vor allem aufgrund kurzfristiger Profitinteressen und politischer Blockaden ohnehin weit entfernt sind – sondern eine gemeinsame und solidarische Anstrengung. Nur wenn sich alle beteiligen und gegenseitig helfen, können wir die Klimakatastrophe verhindern. Der Preis dafür ist nicht nur eine grünere Welt, sondern auch eine gerechtere, sicherere und freiere. (Manuel Grebenjak, 7.12.2020)

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