Michael Ballweg, der Gründer von "Querdenken Stuttgart", bittet um Schenkungen auf sein privates Paypal-Konto.

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Schaut man auf die Seiten oder in die Telegram-Gruppen von "Querdenkern" oder anderen Corona-Verharmlosern, findet man vom Kampf gegen "die Gesundheitsdiktatur" bis zum Streben nach "Frieden und Freiheit" die unterschiedlichsten Motive für Aktivismus. Mindestens genauso oft findet man aber auch Spendenaufrufe, Werbung für Merchandisingartikel oder andere Hinweise darauf, wie man "den Widerstand" unterstützen kann. Einige Akteure der Bewegung haben Wege gefunden, von der Wut ihrer Gefolgschaft auf die Corona-Maßnahmen zu profitieren.

Das fängt bei den obligatorischen Spendenaufrufen an, die prominent in unzähligen Videos eingeblendet werden. Oder Schenkungen, wie es auf der Seite von "Querdenken 711", der Stuttgarter Gruppe rund um den Star der Bewegung, Michael Ballweg, heißt. Warum Schenkungen, erklärt Ballweg gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") selbst: "Die Anzeigepflicht existiert nur für Schenkungen, die die Freibeträge überschreiten." Und die liegen in Deutschland bei 19.999 Euro.

Das Geld geht auf Ballwegs privates Paypal-Konto, auch im Impressum steht nur er mit seiner Privatadresse. Wie viel dabei zusammenkommt, will er nicht verraten, und solange im Überweisungszweck "Schenkung" steht, wird das auch sein Geheimnis bleiben. Nur einmal hat Ballweg angedeutet, welches Crowdfundingpotenzial in der Bewegung steckt. Im Mai rief er zu Unterstützung auf, weil ein Brandanschlag auf sein Technikteam verübt worden sei, und bedankte sich, dass innerhalb weniger Tage 220.000 Euro zusammengekommen seien. Ansonsten unterstütze man mit den Spenden die "Organisation der Demos und Finanzierung der Klagen", heißt es auf der Website.

Merchandising und Atteste

Was man auch auf vielen Kanälen findet, sind Merchandisingprodukte. So verkauft die Initiative "Österreich ist frei" T-Shirts mit der Aufschrift "Brain on – Mask off" für 19,90 Euro, und im "Querdenken"-Shop gibt es vom Hoodie um 49,90 bis zur Softshelljacke um 79,90 Euro alles, was das Querdenker-Herz begehrt. Auch der vegane Koch und Verschwörungsfanatiker Attila Hildmann verbindet seine antisemitischen Reden mit Werbung für seine Snacks, Kochbücher oder den sogenannten "Siegfried-Taler": eine Münze, die für mehrere tausend Euros, also ein Vielfaches ihres Materialwertes, verkauft wird.

Aber auch Ärzte machen bei der Corona-Verharmlosung mit, wie der in Bad Aussee praktizierende selbsternannte Guru Peer Eifler oder der deutsche Mikrobiologe Sucharit Bhakdi. Für sie ist nicht nur Corona ein "Fake" und die Maskenpflicht unzumutbarer "Wahnsinn", sondern sie bedienen auch das Narrativ einer vermeintlichen totalitären "Gesundheitsdikatur", in der wir leben würden. Das mag sich vielleicht so anfühlen, wenn man wie Eifler von der Ärztekammer mit einem Berufsverbot belegt wird und die Staatsanwaltschaft gegen einen ermittelt. Der Anlass dafür war aber nicht seine Meinung zu Corona, sondern dass er im Netz Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ohne jegliche Untersuchung für 30 Euro verkauft hat.

Gab's für 30 Euro.

Bhakdi sagte gegenüber der "FAZ" sogar, dass er wegen der "Gesundheitsdiktatur" überlege, mit seiner Familie auszuwandern. Wohin? Ausgerechnet nach Thailand, wo die Regierung gerade mit scharfer Munition auf Demokratieaktivisten schießt. Bhakdis Buch "Corona-Fehlalarm" findet sich auf den meisten Büchertischen bei "Querdenken"-Demonstrationen. Sieht man sich seine Follower-Zahlen an, kann man erahnen, dass es sich wohl nicht schlecht verkauft.

Peer Eifler wiederum taucht seit Kurzem als Unterstützer auf der Homepage der Initiative "Das Volk gegen Corona" auf. Die wirbt um Spenden für "Die größte Klage in der deutschen Geschichte". Die Organisatoren wollen den Virologen Christian Drosten und das Robert-Koch-Institut klagen, weil sie die deutsche Regierung schlecht beraten hätten. Wie netzpolitik.org und der ZDF recherchiert haben, geht das Geld allerdings auf ein belgisches Konto, das wiederum zu einer niederländischen Briefkastenfirma gehört. Diese ist auf einen Geschäftsführer angemeldet, der Geld mit dubiosen Esotherikprodukten verdient, dem Reichsbürgermilieu nahesteht und nichts über die Verwendung der Corona-Spendengelder verraten will.

Das Geschäft mit den Busfahrten

Und dann müssen "Querdenker" ja auch irgendwie zu den Demonstrationen kommen. Das hat sich auch der Wiener Reiseunternehmer Alexander Ehrlich gedacht, als er im Sommer mit Michael Ballweg ins Gespräch kam. Im Frühjahr hatte er den Verein "Honk for Hope" (HfH) gegründet – mit dem Ziel, sich für die Anliegen der Busbranche einzusetzen. Im Juli vereinbarte er dann mit Ballweg eine "Logistikkooperation", wie er sagt. Seitdem fahren die Busunternehmen, die bei HfH Mitglied sind, "Querdenker" aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zu Demonstrationen.

Der Erlös aus den Ticketpreisen geht neben den Busunternehmen an die Vermittler der Fahrten, also Ehrlich und seinen Kollegen Thomas Kaden. "Ich habe ein wirtschaftliches Interesse, dass diese Demonstrationen stattfinden", sagt Ehrlich. Da veranstaltet er dann auch schon einmal eine Demonstration in Bregenz selbst, wenn sich die dortigen Initiativen zerstreiten. Auch die Großdemonstration in Berlin am 18. November hat er selbst angemeldet – "Die Busse müssen rollen", sagt er. Er mache das Ganze aber nicht für den Profit, sondern für den Frieden. Verdient habe er an den Fahrten bisher "so gut wie nichts". Sein Unternehmen City Tours Gmbh sei im Übrigen sowohl in Österreich als auch in Deutschland durch Staatshilfen abgesichert.

Etwas anders stellt das Joachim Jumpertz dar, der bis Ende Juli selbst Sprecher von HfH war und die Buchungen mit abgewickelt hat. Hunderttausende Euro seien allein im Sommer verdient worden, sagt er. Ende Juli stieg Jumpertz aus, weil es ihm zu verschwörerisch und zu rechts wurde. Als eine anonyme Anruferin darauf hinwies, dass ab Magdeburg Reichsbürger mit HfH-Bussen fahren wollen und daraufhin mit Ehrlich eine Diskussion entbrannte, ob diese überhaupt rechtsextrem seien, sei für ihn klar gewesen: "Bis hierhin und keinen Schritt weiter."

Bei "Querdenken"-Demonstrationen werden die Corona-Maßnahmen als "Diktatur" dargestellt.
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Wer profitiert?

Außerdem toleriere Ehrlich, dass in den Bussen keine Masken getragen werden, sagt Jumpertz. Ehrlich bestreitet das, die Fahrer würden sehr wohl auf die Maskenpflicht hinweisen, "mehr können und wollen wir auch nicht tun". Als Voraussetzung, sich an den Demofahrten zu beteiligen, schrieb er im Sommer an einen Busunternehmer: "Auf die Maskenpflicht im Reisebus weisen wir hin, die Busfahrer kontrollieren aber weder medizinische Atteste noch die 'Essens-Ausnahme'. Heißt: Vermutlich wird niemand eine Maske tragen."

Dass Akteure rund um Verschwörungsmythen versuchen, davon auch finanziell zu profitieren, sei nichts Neues, sagt Extremismusforscherin Julia Ebner. "In den USA ist daraus bereits ein regelrechtes Business entstanden", sagt sie. Das Paradoxe dabei sei aber, dass die Frage "Cui bono?", also "wer profitiert?", ja im Zentrum fast aller Verschwörungsmythen stehe. "Diese Frage wird immer gestellt, wenn es um die globalen Eliten geht, bei der eigenen Gruppe wird darüber aber nicht nachgedacht." (Johannes Pucher, 6.12.2020)