Der Gebetsabend im Parlament sorgte für viel Aufsehen, nun muss die Staatsanwaltschaft zumindest routinemäßig einen Anfangsverdacht prüfen.

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Wien – Die "Initiative Religion ist Privatsache" fordert die Staatsanwaltschaft Wien auf, den Verdacht der Untreue und des Amtsmissbrauchs gegen den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu prüfen. Anlass ist der Gebetsabend, zu dem Sobotka am Dienstag ins Parlament geladen hat.

Die Initiative argumentiert in dem Schreiben, dass Sobotka zwar das Hausrecht über die Räumlichkeiten des Parlaments hat. Allerdings sei er dabei an die Hausordnung für die Parlamentsgebäude gebunden. Diese dienen demnach "den Organen der Gesetzgebung des Bundes. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben bestimmt der/die Präsident/in die Verwendung und allenfalls die Art der Benützung sämtlicher Räume (...) und Einrichtungen (...)."

Untreue und Amtsmissbrauch

Doch "eine katholische Werbeveranstaltung dient nicht der Erfüllung der Aufgaben der Organe der Gesetzgebung des Bundes", schreiben die Verfasser. Es finde sich auch sonst keine Rechtsgrundlage, "die dem Verdächtigen (Sobotka, Anm.) die Nutzung der Parlamentsgebäude und Durchführung einer solchen – durch den Livestream öffentlichen – Veranstaltung erlaubt".

Weil allein der Livestream 6.000 Euro gekostet habe und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion wohl Mehrstunden an einem Feiertag dafür leisten mussten, bestehe der Verdacht der Untreue und des Amtsmissbrauchs gegen Sobotka.

Initiative empört

"Der unverschämte Vorstoß Wolfgang Sobotkas, der offensichtlich das österreichische Parlament, dessen Präsident er ist, mit einem ÖVP-Vorfeldverein verwechselt hat, darf in einer säkularen Demokratie nicht hingenommen werden", sagt Eytan Reif, Vorstandsmitglied der "Initiative Religion ist Privatsache". Sobotka sei "weder befugt noch legitimiert, das Herzstück der österreichischen Demokratie zu einem Gebetshaus zu degradieren und bei dieser Gelegenheit die ÖVP als Hüterin des Christentums in Österreich zu inszenieren".

DER STANDARD hat bei Sobotkas Sprecher um eine Stellungnahme angefragt, allerdings keine Antwort erhalten. Der Nationalratspräsident hat die Veranstaltung immer verteidigt. (Sebastian Fellner, 12.12.2020)