Vier Kärntner Pflegeheime haben am Dienstag den Auftakt zur Corona-Impfung im Bundesland begangen. Im Bild der Impfstart im Haus "Maria Gail" der Diakonie de La Tour in Villach.

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Auch wenn eine große Anzahl von Menschen einer Impfung gegen Corona skeptisch gegenübersteht, sehnen unzählige Menschen eine solche schon lange herbei. Während mancherorts sogar über Strafen bei Impfverzögerungen diskutiert wird – der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo forderte Sanktionen für Krankenhäuser, die den ihnen zugeteilten Impfstoff nicht innerhalb einer Woche eingesetzt hatten –, herrscht hierzulande eine andere Stimmung. Der Großteil der Impfdosen lagert noch in Kühlschränken.

Deshalb wird seit Montag darüber diskutiert, dass bereits seit letzter Woche zwar 63.000 Impfdosen in Österreich gelandet sind, ein großer Teil davon aber noch nicht verimpft wurde. Diese Woche kommen weitere 63.000 hinzu. Bis dato wurden 8.360 Impfdosen an einzelne Impfstellen ausgeliefert. Bis Dienstag Abend werden alle Dosen verimpft sein, stellte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums im Gespräch mit dem STANDARD klar.

Somit gibt es eine offizielle Angabe über die bis dato verabreichten Impfdosen. Davon gingen 2.800 nach Wien. 2.690 sind auf Niederösterreich entfallen, 890 auf Salzburg, 525 auf Vorarlberg und 485 auf Tirol. 460 hat Oberösterreich bekommen, 300 Kärnten, 170 das Burgenland und 40 die Steiermark. Bis Ende Februar sollen dann 158.000 Menschen geimpft sein, berichtete die APA unter Berufung auf das Gesundheitsministerium Dienstagmittag. Am Abend wurde diese Zielvorgabe um weitere 36.000 corona-exponierte Mitarbeiter im ärztlichen und pflegerischen Bereich ergänzt. Somit sollen knapp 200.000 Personen bis Ende Februar geimpft werden. Bei idealem Verlauf solle es schneller gehen.

Seitens des Gesundheitsministeriums wurde am Montag darauf verwiesen, dass eine "kritische Größe" an Impfdosen vorhanden sein müsse, bevor man mit einer flächendeckenden Impfung starten könne. Aber auf was konkret wird noch gewartet? Wieso besteht die Notwendigkeit dieser kritischen Größe?

Viele offene Fragen

Diese Fragen blieben vom Ministerium bis dato noch unbeantwortet. Ebenso offen bleibt, wie viele der zumindest 63.000 sich schon im Land befindlichen Dosen mit Stand Dienstag im E-Shop der Bundesbeschaffungsagentur – die ebenfalls auf das Ministerium verweist – abrufbar sind. Es dürfte aber wohl der Großteil der bisher im Land befindlichen Impfdosen sein. Denn klar ist seit Dienstagabend, dass bis 15 Uhr 39.035 Dosen von den Bundesländern angefordert wurden. Das "großteils gewünschte Lieferdatum" sei der kommende Montag. Offen bleibt vorerst, wann mit dem Aufbau der Logistik begonnen wurde und was seit Juni – ab diesem Zeitpunkt starteten die Vorbereitungen – im Detail passiert ist.

Gelagert wird der Impfstoff in 17 Zentren, der Pharmagroßhandel liefert die einzelnen Dosen aus. Über eine Plattform werden die verfügbaren Dosen je Bundesland bereitgestellt, diese rufen dann den entsprechenden Anteil bei Bedarf ab. Am Beispiel Wien funktionierte das in den letzten Tagen so: Die bisher abrufbaren Dosen seien unmittelbar verimpft worden, sagt ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Am Dienstag wurden in Wien weitere 5.000 Dosen abgerufen, diese werden zwischen Mittwoch und 11. Jänner "außerprogrammmäßig" verimpft. Man habe, so wie Niederösterreich, darauf gedrängt, noch mehr von den durch die frühere Zulassung verfügbaren Dosen zu erhalten.

Könnte man, wenn es möglich wäre, diese Woche mehrere zehntausend Dosen zu erhalten, diese dann theoretisch auch sofort verimpfen? Nein, heißt es aus Hackers Büro. Die Vorbereitungen für die flächendeckende Impfung seien im Gange, gemeinsam mit Trägerorganisationen würden Bedarfserhebungen gemacht. "Dieser aufwendige logistische Prozess ist gerade im Laufen", heißt es. Ab 12. Jänner könne man wie geplant starten, auf dieses Datum sei alles ausgerichtet gewesen. Auch das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass der Impfstart immer erst für Mitte Jänner geplant gewesen sei, was man auch so kommuniziert habe.

"So schnell wie möglich impfen"

Daraus, dass der Impfstoff bis zu zwei Wochen lagert, bevor er verimpft wird, ergeben sich auch ethische Fragen. "Klarerweise sollte aus ethischer Sicht jede Verzögerung vermieden werden und der Wunsch von Impfwilligen erfüllt werden. Besonders in der jetzigen Situation, in der wir mit Hinblick auf die Mutationen nicht genau wissen, wie sich diese auf die Übertragbarkeit auswirken werden, sollten wir so schnell wie möglich impfen", sagt die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml, zum STANDARD. Bei "allen Schwierigkeiten", die die Logistik mit sich bringe, hätte man viele Dinge schon vorab untersuchen können: Wer tatsächlich impfwillig sei, zum Beispiel: "Das hätte man auch im September oder Oktober fragen können."

Es sei zwar gut, niederschwellig zu den Menschen zu kommen, führt Druml aus und bezieht sich damit unter anderem auf die Strategie, zuerst vor allem in Alten- und Pflegeheimen zu impfen – jedoch wäre eine "gewisse Kombinationsstrategie schon gut gewesen". So hätten alle Impfwilligen unter Hochrisikogruppen etwa vorab zusammengefasst und in zentrale Impfstellen eingeladen werden können, damit "einmal sehr schnell sehr viel weitergehen" könne. Zudem sei auch Transparenz eine ethische Verpflichtung: So solle etwa abrufbar sein, wie viele Menschen schon geimpft wurden. Eine solche zentrale Informationsstelle existiert bis jetzt nicht. Am Montag wurden etwa noch Daten vom 30. Dezember kommuniziert.

Zweite Phase ab Februar

Druml kritisiert zudem, dass es bis jetzt noch keine Informationen dazu gibt, wie sich Angehörige einer Hochrisikogruppe anmelden können: "Hier hat der Staat eine Fürsorgeverpflichtung." Nach öffentlich zugänglichen Informationen zur Anmeldung sucht man bisher vergeblich. Nur so viel: Laut dem Plan des Gesundheitsministeriums wird im Jänner ausschließlich in Heimen und Krankenhäusern geimpft. Doch ab Februar soll die Zahl der Impfstellen dann ausgeweitet werden, etwa auf niedergelassene Ärzte. Für diese zweite Phase (Februar bis April) rechnet man laut der offiziellen Impfstrategie mit 2,5 Millionen Dosen, die dann verimpft werden – auch bei öffentlichen Impfstellen.

"Es ist geplant, dass sich Hausärzte und auch bestimmte Facharztgruppen aktiv an der Impfaktion beteiligen", sagt der Leiter des Impfreferats der Ärztekammer, Rudolf Schmitzberger, zum STANDARD. Im niedergelassenen Bereich solle laut derzeitigem Plan der Impfstoff von Astra Zeneca, der derzeit noch auf Zulassung wartet, verwendet werden, erläutert er.

Anmeldesystem kommt erst

Was die Logistik betrifft, habe man in Wien viel aus der Influenza-Impfaktion lernen können. "Das große Problem ist der Föderalismus", sagt Schmitzberger. Trotzdem sei er "durchaus optimistisch", dass der Ablauf ab Februar funktionieren werde. Sobald der Impfstoff von Moderna zugelassen sei, werde auch die Logistik einfacher, weil dieser nur bei minus 20 Grad gekühlt werden müsse. Dass manche Bundesländer derzeit nur sehr wenige Impfdosen haben, sei "zu hinterfragen und womöglich ein Logistikproblem".

Was die Möglichkeit zur Anmeldung für die Impfung beim Hausarzt betrifft, sagt Schmitzberger, sei die Diskussion darüber noch zu früh, zuerst müsse man einmal die Zulassung abwarten. "Im Idealfall geht dann ein Arzt auf seine Patienten zu."

Was jedenfalls in einem Dokument des Gesundheitsministeriums zum Thema Organisation und Durchführung festgehalten wird: "Um einen effizienten Betrieb mobiler Impfteams (...) zu gewährleisten und gleichzeitig die Verfügbarkeit der notwendigen Anzahl an Impfdosen sowie von zusätzlich erforderlichem Material sicherzustellen, ist eine Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung zur Impfung unerlässlich." Die Stadt Wien gab am Dienstag bekannt, dass mit 18. Jänner eine Anmeldeplattform starten soll. (Vanessa Gaigg, 5.1.2020)