In der Aufregung um den abwesenden "Willi" ging am Montag im Prozess "Bierwirt gegen Maurer" fast unter, dass sich der Lokalbesitzer am 17. 9. 2020, nur wenige Tage nach dem vorletzten Verhandlungstag am 11. September, offenbar mit einem Brief an Richter Hartwig Handsur gewandt hat. Das Schreiben mit dem Eingangsstempel "persönlich Landesgericht für Strafsachen 21. September 2020" ist pikanterweise "an Herrn Richter Handshur" (sic!) gerichtet und mit dem Namen des Bierwirts unterzeichnet.

Die grüne Klubobfrau und Angeklagte Maurer, daneben ihr Privatankläger, der Bierwirt, beim Prozess am Montag.
Foto: Matthias Cremer

Wie berichtet drängte Maria Windhager, Anwältin der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer, am Montag beim Richter nach einem entsprechenden Vorhalt auch auf eine ausdrückliche Verlesung des Briefes, weil er aufzeige, welcher Wortwahl sich der Bierwirt "laufend" bediene, was nahelege, dass nicht der ferngebliebene "Willi" im Mai 2018 die obszönen Privatbotschaften via Facebook an Maurer verfasst habe. Bekanntlich hatte die Grüne einst die Identität des Bierwirts als Verfasser über die sozialen Netzwerke geoutet – und sieht sich seither von ihm mit Prozessen wegen übler Nachrede & Co. konfrontiert. Zuletzt, im September, legte der Bierwirt plötzlich das Bekennerschreiben seines Kunden und Freunds "Willi" vor, dass dieser die Botschaften vom Lokalaccount an Maurer abgesetzt habe.

Zur Verlesung des gesamten Schreibens an den Richter bald danach kam es zu Wochenbeginn nicht. Dem STANDARD liegt mittlerweile der Brief mit dem Namen des Bierwirts als Unterzeichner vor, diverse Auszüge zeigen nicht nur das Rechtsverständnis des Verfassers, sondern auch dessen Ausdruckweise sowie den Umgang mit staatlichen Organen auf.

"Kein Zweifel – und für Sie auch nicht"

"Ich bin überhaupt nicht beweispflichtig, denn die Beweispflicht hat die Angeklagte, die sich auf den Wahrheitsbeweis beruft", erklärt der Absender da dem Richter unter der Anrede "Euer Ehren!" – und meint damit die Beklagte Maurer. "Das hat mir mein Anwalt erklärt, das hat mir auch ein Richter erklärt, das haben mir schon so viele erklärt, dass es für mich da keinen Zweifel gibt – und für Sie auch nicht. Denn es steht im Gesetz, und das Gesetz gilt für alle gleich!"

"Also" sei "die Angeklagte eh schon überführt, denn sie hat den Wahrheitsbeweis, den sie angetreten hat, nicht erbracht. In einfacheren Worten formuliert: Nix erbringen Wahrheitsbeweis, also: Verurteilung!" Und weiter heißt es in dem Schreiben, auf dem sich in Druckschrift wie per Hand die Unterschrift des Bierwirts findet: "Ich wiederhole, dass ich die Nachrichten an die Angeklagte nicht geschrieben habe. Weder geschrieben noch geschickt. Das genügt! Sie müsste beweisen, dass ihre Behauptung, ich hätte das getan, stimmt. Das kann sie nicht beweisen, weil es nicht stimmt!"

Szenen vom Montag
DER STANDARD/APA

"So müssen Sie urteilen, finde ich"

Im letzten Absatz fällt noch eine Formulierung, die unweigerlich Assoziationen an die frühen Vorfälle in der bald zweieinhalb Jahre währenden Causa aufkommen lässt – und wieder ist dabei Maurer gemeint: "Daher ist sie gefickt (hochdeutsch: schuldig) und nicht ich. So müssen Sie urteilen, finde ich. Ich vertraue auf die Gerechtigkeit und die Justiz!"

Maurers Anwältin hat hingegen erneut darauf hingewiesen, dass das Oberlandesgericht Wien konkrete Beweise vom Bierwirt verlangt habe, dass er nicht der Verfasser sei. Nur er sei dazu in der Lage, weil die Empfängerin einer solchen Nachricht die Umstände nicht kennen könne.

Fest steht jedenfalls: Am 17. 2. wird der Prozess fortgesetzt – und für diesen Termin wird wieder "Willi" als Zeuge und angeblicher Bekenner zu den obszönen Botschaften an Maurer erwartet. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 12.1.2021)

Zum Nachschauen: Diskussion mit Sigi Maurer zum Fall Bierwirt:

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