Künstlerische Visualisierung des BAF-Komplexes in der Interaktion mit der DNA und den Nukleosomen.

Illustr.: Bobby Rajesh Malhotra/CeMM

Wien – Damit Zellen ihren Dienst im Körper erfüllen und die den Abläufen des Lebens zugrunde liegenden Proteine produzieren können, brauchen sie Zugang zur Bauanleitung des Lebens – der DNA. Wiener Forscher zeigen nun im Fachblatt "Nature Genetics", wie der für die Ablesbarkeit des Erbguts verantwortliche BAF-Komplex rasch ausgehebelt werden kann. Da der Komplex bei vielen Krebsarten eine Rolle zu spielen scheint, erhoffen sie sich neue Einsichten in deren Therapie.

Der BAF-Komplex besteht aus mehreren Untereinheiten, deren Bauanleitung in 29 Genen eingeschrieben ist. Das Auslesen von DNA-Teilen steuert diese zelluläre Maschine, indem die verschiedenen Einheiten Erbgut-Teile entweder mit Eiweißstoffen dicht verpackten oder gut zugänglich lassen.

Neue Methode zur Markierung

Mutationen bestimmter Untereinheiten des Komplexes wurden in der Vergangenheit bei einigen Krebskrankheiten festgestellt, wie Wissenschafter in einer Aussendung des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) berichten. Mit den direkten Auswirkungen von Veränderungen des BAF-Komplexes auf den Zugang zur DNA beschäftigt sich das Team um Stefan Kubicek schon seit einiger Zeit.

Bisher kamen dafür Methoden zu Anwendung, mit denen diese wichtigen Proteine erst nach einigen Tagen quasi ausgeschaltet wurden. Nun haben Kubicek und die Studien-Ko-Autorinnen Sandra Schick, Sarah Grosche und Katharina Eva Kohl verschiedene Untereinheiten mit einer Substanz markiert, die der zellulären Müllabfuhr anzeigt, dass diese zum Entsorgen sind. "Dadurch wird die markierte BAF-Untereinheit binnen einer Stunde abgebaut. Dies ermöglicht eine genaue Beobachtung, ob und wie sich anschließend Zugänglichkeiten verändern", so die Forscherinnen.

"Synthetische Letalität"

So habe man gezeigt, "dass das Entfernen einer einzelnen Untereinheit des BAF-Komplexes sofort zu einem Verlust an Zugänglichkeit zu bestimmten DNA-Regionen führt. Wir gehen davon aus, dass ähnliche Vorgänge wie in unserem Modellsystem auch in der Krebsentstehung eine Rolle spielen, wenn in Zellen erstmals Mutationen einer Untereinheit des BAF-Komplexes auftreten", so Kubicek. So ist bereits klar, dass beispielsweise eine Veränderung des SMARCA4-Genes bei Krebszellen recht häufig ist.

Wie das Team schon 2019 in einer Arbeit zeigte, können Zellen mit Mutationen einer der Untergruppen recht gut weiter leben. Ist aber auch noch zusätzlich eine weitere betroffen, führt das zum Zelltod – Forscher sprechen von "Synthetischer Letalität". Das könnte künftig dazu ausgenutzt werden, um etwa Krebszellen mit SMARCA4-Veränderungen auszuschalten, indem zusätzlich das SMARCA2-Gen gehemmt wird. Diese Kombination bedeute nämlich ein gezielt herbeigeführtes Aus für genau solche Krebszellen. Überdies denken die Forscher auch über Wege nach, den BAF-Komplex auszuhebeln, indem man ihn von der notwendigen Energiezufuhr abschneidet. (APA, 9.2.2021)