Das Trio Dsilton, dessen Klavierspieler Georg Vogel auf den weißen Tasten sitzt.
Foto: Marie Jecel

Als Georg Vogel 31 Jahre jung war, lag die Pointe mit der Zahl auf der Hand. Der Salzburger Pianist hat einen speziellen Musikkosmos entwickelt, der den Tonraum einer Oktave nicht in die üblichen zwölf, sondern in eben genau 31 Töne teilte. Nun, 32 Jahre jung, hat Vogel sein Tongelände alterungsbedingt nicht in 32 Elemente aufgespalten.

Das Ganze ist ja kein Gag. Vielmehr hat Vogel die Suche nach speziellem Klang zum Ausbruch aus einer Konvention geführt, die seit langem den akzeptierten tonalen Rahmen für Klassik und Jazz abgibt. Die Suche hat sich gelohnt: Tatsächlich entstand, wenn man den subtilen Virtuosen spielen hört, ein schummriger Musikkosmos, dessen Akkorde, Motive und Linien geheimnisvolle Ambivalenz ausstrahlen. Plaudert man mit Vogel über die Idee zu seinem System, beginnt er bei den antiken Griechen, erzählt von Naturtonreihen, Oktaven und Quinten, geht weiter ins 15. Jahrhundert und kommt schließlich zu seiner Tastenerfindung: dem Claviton!

Vogel, dem ab Freitag ein dreitägiges Porträt im Porgy & Bess gewidmet ist, kam zu seiner 31-tönigen Vision über die Disziplin des Klavierstimmens, in der er sich eher ungeplant versuchte. Der komplexe Stimmvorgang liegt ja an sich in Händen von Profis, denen Pianisten und Pianistinnen vertrauen. Nun begab es sich allerdings, dass Vogels damaligem Instrument, einem elektroakustischen Clavichord aus den 1960ern, eine Saite riss, was Vogel "handwerklich" aktiv werden ließ und zu Überlegungen animierte, eigene Instrumente zu entwickeln. Also das Claviton mit 31 Tönen, die sich in eine Tonleiter drängen.

Stride Piano: Frühzeit des Jazz

Grundsätzlich habe das alles zunächst als "Vorstellung und Imagination begonnen, noch, bevor das Instrument gebaut wurde", erinnert sich Vogel, der weit mehr ist, als ein Instrumente bauender Musiktheoretiker. Er bewegt sich auch als Komponist raffiniert zwischen Jazz und Moderne. Soll er einen Stil nennen, der ihn gegenwärtig beschäftigt, führt er überraschenderweise das "Stride Piano" an. Diese Richtung aus der Frühzeit des Jazz, bei der die linke Klavierhand sehr munter-sprunghaft Bass und Akkorde beisteuert, fasziniert ihn und zeigt: Vogel trachtet durchaus danach, seine Vieltönigkeit abstrakt an die Tradition anzubinden.

Dabei scheinen einzelne prominente Kollegennamen nicht wichtig. Behauptet man gegenüber Vogel, sein Zugang weise Verwandtschaft etwa mit Exzentriker Thelonious Monk auf, zeigt sich Vogel irgendwie belustigt. Beim Namen Keith Jarrett bleibt er überhaupt indifferent, um nicht zu sagen stumm.

Vogel lebt in seinem System natürlich nicht als Robinson-artiger Eremit. Man hört ihn im Porgy mit dem 31-Ton-Ensemble Dsilton, bei dem David Dornig an der 31-Ton-Gitarre geigt und Klangforum-Saxofonist Gerald Preinfalk als Gast brilliert. Zudem ist da Vogels Duett mit Soley Blümel und auch eines mit Elias Stemeseder; zum Finale hört man die Formation Flower mit Uraufführungen.

Das Rätsel Improvisation

System hin, Innovation her: Beide Elemente sind eigentlich Mittel zur Kommunikation, auf die Vogel Wert legt und die er auch mittels Improvisation betreibt. Was aber ist ihm Improvisation? Den Vorschlag, sie sei "Emotion und Ratio im Zwiegespräch mit der Routine des Erübten", nimmt Vogel an. "Die Definition trifft durchaus zu. Das Erübte ist, denke ich, auch vorstellbar als Reservoir an Bausteinen, zu welchen im Vorfeld eine Verbindung aufgebaut werden konnte – im Sinne des Erkennens von Notwendigkeiten."

Diese Bausteine würden dem Spieler in Form von Variationen zur Verfügung stehen. Situationsbedingt würden sie "nie vollständig voraussehbar" zur Anwendung gebracht. Ja, und im Ensemble können die kommunikativen Ergebnisse "von ungeahnter Art sein." Durchaus auch ohne Publikum, das im Porgy nicht erscheinen darf. Die Atmosphäre in dem als Livestudio fungierenden Club "erlebe ich als sehr fokussiert". Beim Musizieren sei "das virtuelle Publikum" irgendwie doch auch "im Raum präsent", um die 31 Töne zu genießen. (Ljubiša Tošić, 12.2.2021)