Reisedokus und -bilder können Erinnerungen und Sehnsüchte wachrufen.
Foto: Imago / alimdi / Sven-Erik

Pro
von David Krutzler

In Zeiten wie diesen wird jede Möglichkeit zum Mitreisen genutzt. Das muss nicht einmal eine ausgewiesene Reisedoku im Fernsehen sein. Es reicht ein ordinäres Skirennen im TV zum Kopfkino.

Dort, wo die waghalsigen Damen den Tofana-Schuss in Cortina d’Ampezzo mit einem Gefälle von 65 Prozent gerade runterbrettern, tut sich sofort eine Erinnerung auf: an jenen Freund, der den Abschnitt lässig heruntercarven wollte, ganz oben mit den Skiern ausrutschte und den gesamten Steilhang auf dem Rücken liegend hinunterrutschte.

Oder wenn das Handy längst vergessene Fotos aus der eigenen Datenwolke hervorspült, die irgendein Jubiläum feiern. Daytona Beach, mit dem Dodge direkt auf dem Sandstrand fahrend, das ist echt schon verdammte zehn Jahre her?

Manchmal reicht auch der Film Into The Wild, wo ein junger Uni-Absolvent Hab und Gut zurücklässt, durch Nordamerika trampt und in der Wildnis stirbt. So billig wie jetzt ist Reisen nie wieder.

Kontra
von Ana Grujic

Die Urlaubserinnerungen anderer interessieren mich nicht. Zeigen mir Freunde Strandfotos, lächle ich höflich. Reisedokus schalte ich ab. Vorteilhaft ausgeleuchtet und perfekt in Szene gesetzt, lassen sie mich im besten Fall gelangweilt und im schlimmsten neidisch zurück.

Seit der Corona-Pandemie meide ich Dokumentationen über das Reisen komplett. Ich will nicht sehen, wie andere tolle Sachen erleben, während ich maximal zum Supermarkt spaziere.

Ironischerweise kann ich den schönen Reisefilmen und -bildern aber nicht entkommen. Mein Smartphone zeigt mir ständig meine eigenen Reiseerlebnisse der vergangenen Jahre an.

Ich habe sie damals als Erinnerung aufgenommen: Sieh mal, so glücklich warst du, so schön kann die Welt um dich herum sein. Tatsächlich erinnere ich mich, wenn ich die Bilder heute ansehe. Leider aber nicht an die Schönheit des Augenblicks, sondern an seine Vergänglichkeit. (RONDO, 2.3.2021)