Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierte mehrmals die Wirtschafts- und Kooruptionsstaatsanwaltschaft und will nun die Justiz reformieren.

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Wien – Die ÖVP will mit ihren Justizreformplänen offenbar nicht nur die Korruptionsstaatsanwaltschaft zerschlagen, sondern auch die Berichterstattung über prominente Ermittlungsverfahren erschweren. Zumindest teilweise gibt es diesbezüglich bereits eine Einigung mit dem grünen Koalitionspartner, andere Teile wurden bisher nur von der ÖVP an den "Kurier" übermittelt. Doch die türkise Forderung, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten, lehnten die Grünen ab.

Nach dem Ministerrat am Mittwoch verkündeten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) jene Punkte, auf die man sich zunächst geeinigt hat. Was Leaks angeht, blieb man da noch recht vage: Kogler meinte auf Nachfrage, es gehe "einerseits um die Abwägung der Beschuldigtenrechte, andererseits um die Aufrechterhaltung der Pressefreiheit". Da wolle man "die Verhältnisse klarstellen".

"Überschießende Auswertung" der Staatsanwaltschaft verhindern

Edtstadler sagte – etwas konkreter –, man müsse "die Beschuldigtenrechte der Einzelnen wahren". Daher müsse man bei langen Verfahren einen Kostenersatz einführen, außerdem müsse "bei einem nichtöffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan werden", dass keine Leaks in den Medien landen, "bevor der Justizminister oder Verfahrensbeteiligte" erfahren haben, dass sie an einem Verfahren beteiligt seien.

Immerhin sei es auch in Deutschland so, dass man erst berichten dürfe, wenn der Betroffene bereits erfahren habe, dass er beschuldigt sei. Das wolle man sich nun "anschauen". In Deutschland dürfen Dokumente eines Strafverfahrens erst im Wortlaut veröffentlicht werden, wenn sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden. Berichte über Ermittlungsverfahren oder eingestellte Ermittlungen werden durch eine derartige Regelung deutlich erschwert. Folgt Österreich dem deutschen Vorbild, könnten Medien sogar bestraft werden, wenn sie direkt aus Ermittlungsakten zitieren. In Österreich dürfen Anwälte derzeit Ermittlungsakte weitergeben, Medien dürfen (unter Einhaltung des Medienrechts) daraus zitieren.

Grüner Aufschrei

Laut "Kurier" will die ÖVP außerdem nun ein Verbot der "überschießenden Auswertung von privater und geschäftlicher Kommunikation" durch die Staatsanwaltschaft erreichen. Der Gedanke dahinter sei, Vorverurteilung zu unterbinden. Als Beispiel genannt wird, dass bei Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann Gehaltspläne gefunden worden seien, die in weiterer Folge an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden seien. Die Opposition reagierte mit heftiger Kritik: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sprach von einem "Blümel-Schutzprogramm", die Neos von einem "Medienmaulkorb".

Am Nachmittag meldete sich dann auch der Koalitionspartner zu Wort: "Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen", sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. "Bereits jetzt gibt es ein Verbot der Veröffentlichung besonders grundrechtssensibler Überwachungsergebnisse", erklärte sie in einer schriftlichen Stellungnahme, die gesetzliche Regelung dazu "ist aus Sicht der Grünen ausreichend" und stelle sicher, dass Pressefreiheit und die Einhaltung der Beschuldigtenrechte gewahrt seien. "Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen."

Auch aus den eigenen Reihen kam Kritik: Der frühere EU-Kommissar und langjährige ÖVP-Spitzenpolitiker Franz Fischler sagte im APA-Gespräch, er fände es nicht richtig, dass Kurz "versucht, die Öffentlichkeit gegen die Justiz zu vereinnahmen". Wenn sich ein Bundeskanzler derartig äußere, müsse er "auch mit den Konsequenzen leben": "Die Äußerungen fallen dann auf ihn zurück". Aufgrund der Angriffe auf die Justiz von einem "neuen Haider" zu sprechen, halte er zwar für "unfair". "Aber 'wehret den Anfängen'", so der frühere Landwirtschaftsminister. Die Vorgangsweise der ÖVP in der Causa sei jedenfalls "nicht angebracht".

Rechtsanwälte und Journalistengewerkschaft empört

Scharfe Kritik kam auch vonseiten der Rechtsanwälte und Journalistengewerkschaft. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (Örak) sprach sich entschieden gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit und der Verteidigungsrechte in Österreich aus. "Einen medialen Maulkorb halte ich für rechtsstaatlich höchst bedenklich und würde uns zurück in das 19. Jahrhundert katapultieren", sagte Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff. Auch auf Journalistenseite sorgt man sich um die Pressefreiheit.

"Will die Regierungspartei ÖVP ausgerechnet dann die Veröffentlichung von Zitaten aus Ermittlungsakten verbieten, wenn gegen den Finanzminister aus ihren Reihen ermittelt wird? Das wäre eine ungeheuerliche Anlassgesetzgebung", so Bundesvorsitzender Eike-Clemens Kullmann.

Blümel selbst wird am kommenden Freitag von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einvernommen. "Ich bin froh, dass ich bereits am Freitag die Gelegenheit habe, die falschen Vorwürfe auszuräumen", so Blümel in einem schriftlichen Statement. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Blümel wegen Bestechlichkeit, es gilt die Unschuldsvermutung.

Einigung auf Bundesstaatsanwalt

Abgesehen von alledem hat die Bundesregierung ihren bereits verkündeten Plan, eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft einzurichten, am Mittwoch im Ministerrat formal festgeschrieben. Zentrale Details bleiben vorerst unklar. Fest steht, dass der Bundesstaatsanwalt die Weisungskette von der Justizministerin weg ersetzen soll, wie es deren derzeitiger Vertreter Kogler formulierte.

Offen ist aber noch, wie genau die Bestellung funktionieren soll. Klar ist laut Kogler, dass der Bundespräsident die Ernennung durchführt, "persönliche und fachliche Voraussetzungen" seien aber noch festzulegen. Außerdem soll es keine Wiederbestellung geben, doch auch die Dauer der Amtsperiode ist noch unklar. (Gabriele Scherndl, 24.2.2021)