Eat more onions" oder "Gehen Sie nach Hause und ins Bett, bis Sie wieder gesund sind" lauten die Ratschläge während der drei Wellen der Influenza-Pandemie zwischen 1918 und 1920. Sie ging unter dem Namen "Spanische Grippe" in die Weltgeschichte ein und ist ein berüchtigter Teil des "pandemischen Roulettes", dem die Menschheit zumindest seit dem 16. Jahrhundert immer wieder ausgesetzt ist.

Kontraktarbeiter

Das Buch des Medizinhistorikers Harald Salfellner schildert kenntnisreich und mit zahlreichen Bildern versehen Ursprünge, Verlauf, Maßnahmen und Auswirkungen der Pandemie. Vergleiche mit der gegenwärtigen Corona-Pandemie drängen sich auf und werden am Ende des Buches auch zusammengefasst.

Ihren Ausgangspunkt nahm die Spanische Grippe wahrscheinlich in China, von wo sie durch dortige Kontraktarbeiter während des Ersten Weltkriegs nach Europa kam. Es gab Gerüchte und Kriegspropaganda, Hygienevorschriften und Schutzmasken, aber keine Impfungen. Truppentransporte von zehntausenden US-Soldaten im Kriegsjahr 1918, die schließlich den Krieg entscheiden sollten, führten zu einer raschen Ausbreitung der Epidemie. Vor allem die zweite, tödliche Herbstwelle von 1918 wurde durch die zahlreichen Atlantikfahrten beschleunigt.

Wiener Leichentram

Der Name Spanische Grippe ist übrigens der Tatsache geschuldet, dass im neutralen Spanien Pressemeldungen nicht der Zensur unterlagen und daher Journalisten ungehindert über die Pandemie berichten konnten.

Das sehr lesbare und gut geschriebene Buch gefällt durch zahlreiches Bildmaterial und faszinierende Details. Es zeigt Werbungen für einen ungarischen Influenza-Likör oder für einen Schallplattenspieler mit dem Motto "Stoppen Sie die Ausbreitung der ,Grippe‘. Verbringen Sie Ihre Abende zu Hause mit Ihrem Victrola-Gerät und neuen Platten".

Über die Wiener "Leichentram" ist genauso zu lesen wie über die hohe Todesrate von fünfundzwanzig Prozent bei den indigenen Bevölkerungen Alaskas. Auch bei der relativ milde verlaufenden Sommerwelle im Jahr 1918 plädierten manche Ärzte für eine "Herdenimmunität", um das Immunsystem für die Influenzen im Winter zu stärken.

Wirtschaftliches Verderben

Harald Salfellner hält fest, dass die Gesundheitssysteme der Welt bei der gegenwärtigen Pandemie meistens sehr schlecht auf den Katastrophenfall vorbereitet waren und zu überlegen wäre, "wie man sich auf künftige pandemische Ereignisse vorbereiten kann, ohne im Ernstfall Millionen von Menschen ins wirtschaftliche Verderben zu stürzen".

Die schlechte Nachricht lautet: Das "pandemische Roulette" wird sich weiterdrehen, die Kugel irgendwann wieder rollen, vielleicht mit höherer Mortalität als bei Covid-19. (Georg Cavallar, ALBUM, 13.3.2021)