Das Interesse an Vogelbeobachtungen ist in der Pandemie gestiegen
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Pro
von Martin Putschögl

Das Interesse an Vogelbeobachtungen ist in der Pandemie gestiegen. Generell, nicht bei mir. Von den Vögeln ist es aber zum Spechteln semantisch nicht sehr weit, und damit sind wir in medias res.

Nein, ich bin kein Spechtler. Wenn der heimarbeitende Nachbar in seine Präsentation zwei das/dass-Fehler einbaut – was geht mich das an? Das gute, alte Spechteln, bestens dokumentiert in Gestalt der Frau Kaiser in der Serie Kaisermühlenblues, geht vielmehr vor die Hunde, kommt mir vor. Es soll ja schon Städter geben, die sich abends in vorhanglosen Wohnungen pudelwohl fühlen. Brrr!

Hoffnung keimt am Horizont. Ich kann sie vom Balkon aus, über Kaisermühlen hinweg, erblicken: Wohntürme, die wie Märzenbecher sprießen. Mit einem Fernglas könnte ich dem Bunten Schraubspecht auf die Finger schauen, quasi überörtliche Bauaufsicht. Gut möglich, dass ich mir ein Fernglas zulege, wenn dort wer einzieht. Ich will ja wissen, ob von den Vögeln dort wer rüberspechtelt.

Kontra
von Franziska Zoidl

Berufsbedingt schaue ich gern genau hin. Auch in der Nachbarschaft. Wenn ich aus meinem Homeoffice auf den Balkon trete und den Blick zur Entspannung der müden Augen in die Ferne schweifen lasse, entgeht mir nichts: Da fährt ein Möbeltransporter vor, wer zieht um? Wer kriegt die ganzen Pakete? Und wie kriegen die Kinder vom Spielplatz vor dem Haus ihren Fußball aus dem Baum?

Sie nennen es Neugier? Ich nenne es Interesse! Und ich hatte bei meinen Beobachtungen immerhin schon viele Einfälle für Artikel. Aber ein Fernglas? Nein, danke! So schasaugert bin ich auch wieder nicht. Ornithologin bin ich auch keine. Und ein Fernglas wäre mir auch vor den Nachbarn peinlich.

Noch dazu, weil ich eh längst aufgeflogen bin: Unlängst hat mir der Nachbarsbub von gegenüber zugewinkt. Kein Scherz! Er möchte jetzt von unserem Balkon aus seinen Eltern winken. Vielleicht tauschen wir demnächst also Platz für ganz neue Perspektiven. Aus Recherchegründen, versteht sich. (RONDO, 10.2.2022)