Florence Shaw und Band teilen eine gute Zeit.

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Es gibt relativ wenige Lieder über Mayonnaise, die in einem hinteren Eck des Kühlschranks vergammelt. Florence Shaw matschkert dann auch noch über gewachste Bananen als Schusswaffenersatz im relativ unangerührten prosaischen Vortragsstil aus der experimentellen Nebenschiene eines Literaturhauses freier Wahl. Auch der Wunsch, Schuhe zu finden, mit denen man tiefer in den Erdboden versinken kann, als es die ohnehin geringe Kampfhöhe erlaubt, ist ein Thema. Man wird nach all den Jahren, die seit dem Tod des großen Punk-Lyrikers Mark E. Smith und seines zum Sodbrand im Ohr neigenden Jahrhundertprojekts The Fall vergangen sind, doch hellhörig. Wollen wir das wirklich noch einmal hören?! Nein, schleich dich! Aber, okay. Von mir aus.

Der vorab im Vorjahr veröffentlichte Song Magic of Meghan von Dry Cleaning beschäftigte sich noch dazu mit dem grundbritischen Thema des dortigen Königshauses. Kann man sich anhören, muss man nicht. In Strong Feelings geht es jetzt auf dem Debütalbum New Long Leg neben einem Trottel als Freund auch um den beliebten, in Albion praktizierten Freizeitkonsum von narrischen Schwammerln oder fröhlich bei Depressionen nicht nur von Haustieren eingesetzte, herumhüpfende Gummibälle.

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Der Hörer, der noch gar nichts von Dry Cleaning gehört hat, denkt sich jetzt: Das habe ich doch alles schon einmal gehört! Und: Die Musik dazu kann ich mir gut vorstellen. Die Antwort lautet ja und nein. Florence Shaw gibt mit ihren noch dazu ohne plakative Gefühle vorgetragenen, aufreizend gelangweilten freien lyrischen Assoziationen mit Sicherheit den ruhenden Pol. Sie musste als eigentlich zum Ölbild und der Multimediakunst berufene Kunstkünstlerin dazu überredet werden, in dieser Band mitzuwirken.

Die anderen Typen in der Band sind leider beherzter. Manchmal rückkoppelt die Gitarre sogar! Singen tut Florence Shaw bis heute nicht. In Zeiten der Reisebeschränkung muss man aber auch nicht dauernd daran denken, seine Skills zu optimieren und eine Zahnbürste in der Jackentasche dabei zu haben, falls man am nächsten Vormittag statt in Südlondon in Berlin-Neukölln aufwacht.

Dry Cleaning

Darunter dengeln, bolzen und pumpen die männlichen Begleiter herum, wie man es spätestens seit Sonic Youth kennt. Deren Sprechsängerin Kim Gordon kann man auch durchaus mit Florence Shaw vergleichen. Allerdings handelt es sich bei Dry Cleaning (übrigens, was für ein deprimierender Bandname!) wie gesagt um Briten.

Briten sind es nicht gewohnt, um ihr Leben zu rocken. Sie haben Sozialhilfe – und schlechtes Essen. Außerdem haben sie genetisch von ihren Eltern her das Post-Punk-Gen intus. Deshalb jammern auch einmal zwischendurch Robert Smith und The Cure oder Bauhaus, New Order, The Smiths und der ganze hängeschultrige Rest der Trauerweiden aus den frühen 1980er-Jahren um die Ecke. Dry Cleaning selbst sehen sich von den in den Nullerjahren umgehenden Franz Ferdinand zur Muse genötigt. Oh, Mann. Jedenfalls: Toll, toll, toll! Ob es Florence Shaw so lange interessieren wird, in einer Band zu spielen, bis wieder Tourneen auch nach Österreich möglich sein werden? Darauf werden keine Wetten angenommen. (Christian Schachinger, 15.4.2021)