Ministerin Raab und Experte Mazal präsentieren den neuen Familienbericht: Innerhalb von zehn Jahren habe sich bei der Kinderbetreuung Erstaunliches getan.

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Der Professor spricht von einem "sensationellen Sprung". Innerhalb von zehn Jahren, so zeigt eine Grafik zu seiner Linken, ist der Anteil der unter Dreijährigen in Kinderbetreuung von 14 Prozent (2008) auf 26,5 Prozent (2018) gestiegen. Es ließe sich nun natürlich auf die noch viel höhere Quote in Schweden verweisen, sagt Wolfgang Mazal, "doch man sollte das Glas nicht halb leer sehen. Ein erheblicher Teil der nächsten Generation entscheidet sich gegen das Lebensmodell ihrer Eltern. Da hat sich Erstaunliches getan."

Herauszulesen ist dies und vieles mehr aus dem neuen Familienbericht, den der Wissenschafter gemeinsam mit Familienministerin Susanne Raab am Mittwoch präsentiert hat. Auftraggeberin der alle zehn Jahre erscheinenden Bestandsaufnahme ist die Regierung, doch beim Inhalt habe das federführende Institut für Familienforschung der Uni Wien freie Hand gehabt, versichert Leiter Mazal. Herausgekommen sei "ein Sammelsurium an Analysen" ohne ideologische Ausrichtung – für die Bewertung seien Politiker, Kommentatoren und andere Berufene zuständig.

Staatlicher Geldsegen für Familien

Eine Erfolgsbilanz darf bei der Präsentation dennoch nicht fehlen. Meilensteine seien in den vergangenen zehn Jahren gesetzt worden, sagt Ministerin Raab. Nur Luxemburg und Estland schütteten innerhalb der EU noch üppigere Familienleistungen aus, rechnet sie vor, die sieben Milliarden des Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) zur Finanzierung machten mittlerweile zehn Prozent des Bundesbudgets aus. Raab wäre keine ÖVP-Politikerin, wenn sie neben der noch von einer rot-schwarzen Koalition beschlossenen Erhöhung der Familienbeihilfe nicht auch das türkise Prestigeprojekt des Familienbonus loben würde.

Doch der Geldsegen ist nicht unumstritten. Statt für Kinderbetreuung gebe Österreich zu viel für finanzielle Leistungen aus, die dem beruflichen Fortkommen der Frauen nicht nützen, hieß es immer wieder. Mazal hält diese Kritik hierzulande allerdings nicht für stichhaltig. Die Republik gebe auch für Sachleistungen viel Geld aus, sagt er und sieht sich durch die Zahlen des Ministeriums bestätigt. Demnach steckte der Bund zwischen 2008 und 2018 rund 442 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung, dazu kommen die Ausgaben der Länder – mit dem Anstieg der Betreuungsquote als Folge.

Den Reichen nicht hineingeschoben

Letztlich sei der Mix aus Geld-, Sach- und Steuerleistungen treffsicher, urteilt Mazal. So machen Familienleistungen laut Bericht gut 40 Prozent des Einkommens von Familien im untersten Einkommenszehntel aus, beim am besten situierten Zehntel sind es nur fünf Prozent. "Es kann niemand sagen, dass man es nur den Reichen hineinschiebt", sagt der Experte: "Hier wird eine massive Umverteilung gemacht."

Doch erreicht diese Politik auch das Ziel, dass Männer einen größeren Teil der Familienarbeit übernehmen? Der Bericht birgt Hinweise auf Fortschritt. Demnach spüren viel mehr Männer als früher regelmäßig "Vereinbarkeitskonflikte" zwischen Familie und Erwerb – ein Zeichen, dass nicht mehr nur die Frauen in der "Zwickmühle" (Mazal) sind. Dass laut einer anderen Umfrage der männliche Wunsch nach größerer Beteiligung in Haushalt und Familie gesunken ist, relativiert der Forscher: Das könnte gerade daran liegen, dass eben bereits mehr Männer zu Hause mitmachten und deshalb gar nicht mehr dieses Anliegen zu äußern brauchten.

Väterfeindliche Kultur in der Arbeitswelt

In der Familienpolitik sei "das Ende der Fahnenstange" praktisch erreicht, bilanziert Mazal. Von der Elternteilzeit mit Kündigungsschutz über die Pflegefreistellung bis zum Karenzmodell gebe es zig Ansprüche, die der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienten, viel mehr könne man nicht tun: "Je mehr jetzt noch vom Staat gefordert wird, desto stärker lenken wir den Blick vom eigentlichen Akteur ab."

Mazal meint damit die Arbeitswelt. Unternehmer, Vorgesetzte und Kollegen seien gefordert, um zu realisieren, was längst möglich sei. Wenn ein Arbeitgeber einen Mann mit Karenzwunsch frage, ob dieser denn seine Frau nicht im Griff habe, sagt Mazal, "dann kann der Staat nichts mehr machen". (Gerald John, 21.4.2021)