Der Wiener Künstler Franz Stefan Kohl lebt im vierten Bezirk und umgibt sich auch in seinen Wohnräumen mit Ruhe, Ordnung und Symmetrie. Doch das Beste, sagt er, sei der tägliche Heimweg in Richtung Süden.

"Für mich ist es kein großer Unterschied, ob ich ein Bild male, ob ich die Wand mit Farbe streiche oder ob ich die Wohnung als räumliches Kunstwerk gestalte. Da wie dort arbeite ich intuitiv und lasse mich von meinem Bauchgefühl leiten. Ich komponiere die Möbel, die Accessoires und die Wandfarben so zusammen, dass sie für mich eine stimmige Einheit bilden. Ich kann auch gar nicht anders, denn die Wohnung ist für mich eine Art Ladestation für meine Kreativität, ein beflügelnder Raum zum Wohnen, aber auch zum Gestalten meiner Arbeiten. Und so muss sich meine Leidenschaft für Farben und Materialien notgedrungen in den Räumen manifestieren. Letztendlich würde ich sagen: Diese Wohnung ist eine Visitenkarte meiner Seelenlandschaft.

Seine Wohnung im Elisabethviertel hat Franz Stefan Kohl beim Radfahren gefunden.
Foto: Lisi Specht

Meine bisherigen Wohnungen waren alle weiß, was vor allem daran lag, dass sie immer zu klein oder zu dunkel waren. Nun wohne ich in sehr hellen, lichtdurchfluteten Räumen, die durchaus etwas kräftigere Farben vertragen. Mein erstes nichtweißes Zuhause also! Im Wohnzimmer gibt es ein Farbfeld in einem hellen Taubenblau, in der Küche habe ich ein fröhliches Grün an der Wand, und das Schlafzimmer ist teilweise in einem dunklen Nachtblau gehalten. Die restlichen Wände sind nicht etwa mit weißer Dispersion gestrichen, sondern mit einer speziellen Farbe, die ich in meiner Zeit als Ausstellungsgestalter bei diversen Ausstellungen kennengelernt habe: Terranova W001. Das ist die Farbe, die manchmal in Museen verwendet wird, weil die benachbarten Farben dadurch noch runder, noch intensiver zur Geltung kommen.

"Ich mag Alvar Aalto, ich mag die skandinavische Nüchternheit, das nordische Licht, die Schlichtheit der eleganten Sechziger- und Siebzigerjahre", sagt Franz Stefan Kohl über seine Wohnung in Wien-Wieden, in der er wohnt und arbeitet.
Fotos: Lisi Specht

Hier auf der Oberen Wieden bin ich schon seit 1998 zu Hause. Nach einer kurzen Pause in einem Haus im Burgenland, wo ich im Winter jedoch vollkommen isoliert war, habe ich dann vor neun Jahren diese wunderschöne Wohnung hier im Elisabethviertel gefunden – und zwar an einem der vielen Tage, an denen ich mit dem Rad herumgefahren bin, um mir zu überlegen, wo im vierten Bezirk ich mich am liebsten niederlassen würde. Diese Wohnung wurde gerade saniert, ich habe die Hausverwaltung kontaktiert, und noch während des Umbaus habe ich den Mietvertrag unterschrieben.

Es ist ein spannendes Haus. Zum Zeitpunkt seiner Errichtung wurde es innen mit Marmortafeln und Marmorsäulen verkleidet. Das Material stammt aus demselben Steinbruch wie das, aus dem das Kunsthistorische Museum und der Wiener Südbahnhof gebaut wurden. Das Stiegenhaus ist extrem prunkvoll, und zu Beginn wusste ich gar nicht, ob ich da hineinpasse. Zudem hat das Haus eine sehr reiche Geschichte, weil im Dachgeschoß der Maler Herbert Boeckl sein Atelier hatte.

"Ich bin hier an einem Ort, den ich nach Möglichkeit nicht mehr verlassen will", sagt der Wiener Künstler über sein Zuhause.
Fotos: Lisi Specht

Warum ich so wohne, wie ich wohne? Ich mag Alvar Aalto, ich mag die skandinavische Nüchternheit, das nordische Licht, die Schlichtheit der eleganten Sechziger- und Siebzigerjahre. Für mich drücken die Möbel, mit denen ich mich hier umgebe, eine unglaubliche Ruhe, Ordnung und Symmetrie aus. Auch die Bücher müssen symmetrisch und gut geschlichtet im Regal stehen und liegen. Ordnung ist für mich das halbe Leben. Das merkt man nicht nur in der Wohnung, sondern auch in meinen Bildern. Ich kann nicht anders. Ich male, um mich zu ordnen. Diese Wohnung ist eine große, geordnete Raumabfolge, und ich bin deren Protagonist.

Im Grunde genommen ist das eine sehr ichbezogene Wohnung. Natürlich ist oft meine Lebensgefährtin zu Besuch, und natürlich laden wir gerne Gäste ein und verbringen gemeinsam einen schönen Abend. Aber tatsächlich brauche ich den Großteil der Zeit und des Raums für mich allein. Ich bin hier an einem Ort, den ich nach Möglichkeit nicht mehr verlassen will. Ich kann hier wohnen, ich kann hier arbeiten. Und das Beste ist: Wenn ich von der Innenstadt nach Hause gehe, dann gehe ich genau in Richtung Süden, die Mittagssonne im Blick." (26.4.2021)