Er ist farblos, wird keine zwei Zentimeter groß und ein Star der Neurobiologie: Danionella dracula, ein winziger Fisch aus der Familie der Karpfenähnlichen, lässt sich im lebendigen Zustand ins Gehirn schauen. Dem durchsichtigen Tier fehlen mehrere Knochen, darunter auch das Schädeldach, gleichzeitig weist er komplexe Kommunikationsorgane auf. Das macht ihn zu einem wichtigen Modellorganismus für die Forschung, wie ein Team um Ralf Britz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden berichtet.

Auf den ersten Blick unscheinbar, doch bei genauerem Hinsehen ziemlich außergewöhnlich: Danionella dracula.
Foto: Ralf Britz

Dass der erst 2009 entdeckte Fisch so winzig ist und im Lauf der Evolution etliche Knochen eingebüßt hat, sei eine Folge der sogenannten Heterochronie, sagt Britz. Darunter versteht man eine evolutionäre Änderung der zeitlichen Abfolge von Entwicklungsschritten in der Evolution. Bei Danionella dracula führte diese Heterochronie unter anderem zu einer Beschleunigung der Geschlechtsreife, so dass die Fische – obwohl sie anatomisch Larven ähneln – schon mit einer Größe von etwa zehn Millimetern erwachsen sind und sich fortpflanzen können.

Dutzende fehlende Knochen

Für ihre Studie im Fachblatt "Developmental Dynamics" haben Britz und Kollegen die Entwicklung der Tiere von frischgeschlüpften Larven von 3,4 Millimeter Länge bis hin zu vollständig ausgewachsenen Tieren mit Längen von 16 Millimetern untersucht. "Wir konnten zeigen, dass den Fischen im Vergleich zu ihren nahen Verwandten, dem Zebrabärbling Danio rerio, mehr als 40 Knochen fehlen", sagt der Biologe. "Im Gegensatz dazu sind andere Teile ihres Skelettes außergewöhnlich gut entwickelt. Besonders hervorzuheben ist hier der Webersche Apparat, der für die innerartliche Kommunikation der Tiere verantwortlich ist."

Danionella dracula unter dem Rasterelektronenmikroskop.
Foto: Ralf Britz

Mit Hilfe von drei kleinen Knochen, die den Mittelohrknöchelchen des Menschen ähneln, erhöht der Webersche Apparat das Hörvermögen der Fische und leitet Schallwellen von der Schwimmblase zu deren Innenohr weiter. Männliche Danionella-Fische produzieren mit diesem Hörapparat aber auch verschiedene Laute mit Amplituden von 140 Dezibel und 60 bis 120 Hertz, um mit ihren Artgenossen zu kommunizieren. "Gerade dieser Teil des Skelettes von Danionella hat sich in der Entwicklung nicht nur normal, sondern sogar beschleunigt ausgebildet", sagt Britz.

Namensgebende "Eckzähne"

Das ungewöhnliche Tier vereine demnach sowohl die Eigenschaften eines Zebrafisches im Larvenstadium (kleines Gehirn, fehlende Knochen und Pigmentierung der Haut), als auch die neuronale Komplexität von erwachsenen Tieren, was Hören und innerartliche Kommunikation angeht. Dieser enorme Unterschied in der Entwicklungsgeschwindigkeit verschiedener Organsysteme innerhalb ein und desselben Organismus ist sehr ungewöhnlich für Wirbeltiere." Genau das mache den kleinen Fisch zu einem interessanten Modelltier für die Neurophysiologie gemacht. Und was hat Danionella dracula eigentlich mit dem berühmten Vampir gemeinsam? Seine Kieferknochen weisen vergrößerte, eckzahnartige Auswüchse auf, die bei der Artenbeschreibung offenbar Eindruck gemacht haben. (red, 26.4.2021)