Seit drei Tagen darf in Ostösterreich wieder eingekauft werden. Doch ohne Wirte und Touristen ist das nur die halbe Miete.

Foto: Imago

Wien – "Wir sind in einer Symbiose mit Gastronomie, Kultur und Tourismus. Wir brauchen vor allem in Wien offene Wirtshäuser." Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, warnt davor, bei den für 19. Mai angepeilten weiteren Lockerungen des Lockdowns zu bremsen. Und er hat Verständnis für Betriebe, die sich mit einer bloßen Öffnung der Schanigärten nicht zufriedengeben. Schulen dürften in voller Besetzung in den regulären Unterricht zurückkehren. Es spreche daher nichts dagegen, auch die Gastronomie unter Dach wieder aufzusperren – sofern alle Sicherheitsauflagen, von Tests über Masken bis hin zu gesunden Tischabständen, eingehalten würden.

Als "traurigstes Kapitel des Handels und bittere Pille" während der zahlreichen Lockdowns nennt Trefelik die Turbulenzen rund um die Sortimentsbeschränkung der Grundversorger. Die Regierung hatte Supermärkte und Drogerien per Verordnung dazu angehalten, Non-Food nur begrenzt anzubieten, um Händler, die behördlich geschlossen halten mussten, nicht zusätzlich zu schwächen. Weder Spar noch Hofer, Lidl oder Müller hielten sich daran. Sanktioniert wurde der Regelbruch nicht.

"Kein Ruhmesblatt"

Es sei bis zum vierten Lockdown nicht gelungen, hier besser zu kontrollieren oder Verordnungen so zu formulieren, dass sie keine großen Interpretationsspielräume zuließen, sagt Trefelik. Auch er persönlich habe es nicht verstanden, warum Lebensmittelketten bis zuletzt palettenweise Gartenerde vor ihren Filialen als für sie typisches Sortiment anpriesen. "Das alles war kein Ruhmesblatt. Es hat für viel Ärger in der Händlergemeinschaft gesorgt." Er hoffe, dass daraus nun zumindest für die Zukunft Lehren gezogen würden.

Seit Ausbruch der Pandemie hielt der stationäre Einzelhandel in Ostösterreich in Summe 142 Tage geschlossen, allein die jüngste "Osterruhe" wurde auf 30 Tage ausgedehnt. Das trieb Konsumenten in die Arme der Internetriesen. Die Zahl der Onlineshopper wuchs Eurostat-Daten zufolge in Österreich im Vorjahr um 300.000 auf 4,4 Millionen Kunden. Ihre Ausgaben im Web explodierten um 1,2 auf 8,4 Milliarden Euro. Damit kaufen mittlerweile 66 Prozent der Konsumenten regelmäßig online ein. Im Jahr davor waren es noch 62 Prozent. Das meiste Geld übers Internet geben hierzulande 25- bis 34-Jährige aus.

Zug zu Online

Trefelik sieht dennoch keinen Anlass, klassische Händler totzureden. Nach wie vor seien neun von zehn Euro stationären Geschäften vorbehalten. Auch wenn sich der Zug zu Online verfestige – "diese bleiben der dominierende Einkaufskanal".

Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der Kepler-Uni Linz, sieht in Österreich eine ausgewogene Balance zwischen On- und Offline. Grund sei die hohe Dichte an Einkaufsmöglichkeiten – eine Infrastruktur, die es Internetkonzernen schwerer mache als in anderen Ländern, neuen Boden zu gewinnen.

Was das fulminant gescheiterte Kaufhaus Österreich betrifft, so will Trefelik es nicht "schönreden. Es war kein wahnsinniges Erfolgsmodell." Zumindest aber habe es Diskussionen über den Wert des regionalen Einkaufs angestoßen. (Verena Kainrath, 5.5.2021)