Der Mann, der stets zwei Schritte hinter der Chefin ging: So wurde Prince Philip in vielen Nachrufen beschrieben. Hierarchien mit monarchen-gleichen Oberhäuptern sind immer noch Role-Model für politische und unternehmerische Strukturen. Den Spitzenjob einem Paar überlassen, ob verheiratet oder eine Zweckgemeinschaft, ist praktisch undenkbar.

Als Hillary Clinton als First Lady für den US-Präsidenten eine Gesundheitsreform vorlegte, war "Anmaßung" noch die harmloseste Kritik. Die Gesundheitsreform beider Clintons scheiterte. Jahre später, nachdem sie als geachtete Senatorin zum ersten Mal selbst für das Amt der Präsidentin kandidiert hatte, war es ein oft genannter Vorbehalt, dass damit Bill Clinton wieder ins Weiße Haus einziehen würde. Der Gedanke, dass die Erfahrung beider mehr wert wäre als die eines Einzelnen, ist mit der Idee eines monadischen Oberhaupts unvereinbar.

Wie wir derzeit auch im spannenden Wahlkampf um die nächste Bundeskanzlerin Deutschlands beobachten können. Zwar sind bei den Parteien sogenannte Doppelspitzen populär geworden, bei den Grünen das durchaus erfolgreiche Duo Robert Habeck und Annalena Baerbock, die einander ergänzt und ihre diverse Partei geführt haben. Jetzt, da es zur Kandidatur um das Kanzlerinnenamt kommt, "kann es am Ende nur eine machen": Die Verfassung Deutschlands, wie alle Verfassungen dieser Welt, kennt keine Doppelspitze. Einer oder eine muss offenbar immer vorangehen, der Nächste zwei Schritte dahinter.

Teilen bringt doch mehr

So wenig kennen auch die Verfassungen von Unternehmen Doppelspitzen. Zwei Personen, deren Ganzes mehr als die Summe zweier Teile ist und die sich eine Führungsrolle teilen; die mit ihren Qualifikationen über einen breiteren Hintergrund für ihre Aufgaben verfügen; die in diversen Teams unterschiedlich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen können; die schwierige Entscheidungen nicht einsam und alleine treffen müssen; denen mehr Zeit für ihr Leben bleibt. Diese Möglichkeit zur Besetzung von Spitzenjobs durch Jobsharing ist in der Unternehmenswelt so gut wie nicht vorgesehen.

Dabei sind viele erfolgreiche Unternehmen Gründungen kongenialer Paare: Steve Jobs und Steve Wozniak gründeten Apple, Bill Gates und Paul Allen schufen Microsoft. Bill Hewlett und Dave Packard formten HP, Sergey Brin und Larry Page Google, ebenso wie zuvor Jerry Yang und David Filo Yahoo aus der Taufe hoben. Deutschlands aktuell gefeiertes Paar: die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin, zunächst Kollege und Kollegin am Universitätsklinikum Homburg, dann gemeinsam in der Forschung, ehe sie den erfolgreichen Impfstoffhersteller in die Welt setzten. Davor wurde aus ihnen auch ein Ehepaar – CEO konnte jedoch nur einer werden.

Zahlreichen Beispielen gelungener beruflicher Partnerschaften zum Trotz ist Jobsharing in Führungspositionen eine seltene Ausnahme. Extern wie intern werden solche Tandems mit Skepsis gesehen.
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Skepsis von außen

Doch zahlreichen Beispielen gelungener beruflicher Partnerschaften zum Trotz ist Jobsharing in Führungspositionen, gar in der C-Suite, eine seltene Ausnahme. Extern wie intern werden solche Tandems mit Skepsis gesehen. Als vor einigen Jahren die schottischen Finanzunternehmen Standard Life und Aberdeen Asset Management fusionierten und die beiden CEOs mitteilten, dass sie die CEO-Rolle künftig gemeinsam wahrnehmen würden, wurden sie an der Börse mit starken Verlusten abgestraft. Das Argument, dass die wachsende Komplexität von Märkten und Unternehmen besser gemeinsam als einsam zu managen sei, konnte Anleger nicht beruhigen.

"Oh, it’s lonely at the top", sang Randy Newman, und noch immer prägt die heroische einsame Führungskraft, 24/7 im Einsatz für die Firma, das Bild vom Spitzenmanager – am besten ungebunden durch eine Familie, die Zeit und Kraft für ein Privatleben abzweigen könnte. Dabei hat gerade die jüngere Generation der High Potentials oft das Interesse an dieser Art von Aufopferung verloren. Karriere? Gern – wenn dabei nicht alles andere vor die Hunde gehen muss. Und gerade in gutbezahlten Managementpositionen ist es leichter, mit weniger als einem ganzen Gehalt gut zu leben.

Und so beginnt sich, Babyschritt für Babyschritt, das bisher dem Fußvolk vorbehaltene Jobsharing langsam in der Gehaltsstufe nach oben zu arbeiten. Meist sind es immer noch Frauen, denen mehr Zeit mit der Familie es wert ist, auf einen Teil des Einkommens zu verzichten, aber auch Männer, die sich von überkommenen Rollenbildern abwenden. So schreibt das Softwareunternehmen SAP seit Anfang 2018 grundsätzlich alle Managementpositionen als geeignet für Jobsharing aus. Dem gingen viele positive Erfahrungen mit einer begrenzten Zahl an geteilten Führungspositionen voraus.

Es gibt Modelle

Dabei müssen sich Kandidatinnen und Kandidaten nicht vorher als Sharing-Paar finden, sagt HR-Chefin Cawa Younosi: "Es funktioniert im Prinzip wie eine Datingplattform. Wir sammeln in einer anonymisierten Datenbank die Präferenzen von Kandidaten, wie viele Stunden sie arbeiten wollen, was ihre Qualifikationen und Erfahrungen sind. Wenn sich ein Match ergibt, können sich die beiden um die Stelle bewerben."

Was SAP anfangs als Option vor allem für Kinderjahre sah, hat viele Vorteile für die IT-Firma: Stellen auf verschiedene Zeitzonen aufteilen, Erfahrungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitergeben, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Ein Minderheitenprogramm bleibt es allemal: Von über 20.000 SAP-Mitarbeitern nutzen in Deutschland knapp 100 die Möglichkeit. Wahrscheinlich braucht es erst gekrönte Häupter, die mit ihrem Vorbild Akzeptanz schaffen – wie die nächste Generation an CEOs. (Helmut Spudich, 8.5.2021)