Ein Feuerschiff fungiert auf hoher See wie ein Leuchtturm an der Küste.

Foto: Imago / Jochen Tack

Es gibt wenige Träume, die in den Köpfen der Menschen so viel Platz einnehmen, wie der, eines Tages für immer zur See zu fahren. Alles Feste unter den Füßen zurückzulassen und mit einem Schiff ins Blau hinaus, ohne festen Zeit- und Routenplan.

Die Fahrt von A nach B ist das A und O, wenn es um diesen Traum geht. Das muss aber nicht sein. In Der Schiffskoch beschreibt der Niederländer Mathijs Deen den Alltag eines Feuerschiffs und seiner Crew. Ein Feuerschiff ist nichts anderes als ein Boot, das als Leuchtturm auf See fungiert. Voraussetzung Nummer eins: Es darf sich nicht bewegen.

Das ist das, was ein Feuerschiff so besonders macht – und auch das, worunter die Crew eines solchen zum Teil zu leiden hat. Denn die Mannschaft der Texel hat sich schon das eine oder andere Mal anhören müssen, dass sie alle gar keine richtigen Seeleute seien – sie bewegten sich schließlich nicht.

Eine Anschuldigung, die Matrose Nock nicht auf sich sitzen lässt: "Wir leben auf See, die anderen sind nur auf dem Wasser zu einem Hafen unterwegs, zu einem Ort, an dem es keine See mehr gibt. Für sie ist die See eine Unterbrechung, für uns ist die See eine Bestimmung."

Beschreibungen des Meeres

Und eine solche für die See bestimmte Crew will auch verpflegt werden. Hauptcharakter ist der namensgebende Schiffskoch, ein stiller Mann, der eine schwere, aber nur ab und zu hervortretende Krankheit mit sich herumträgt und in seiner Kombüse verschiedenste Gerichte für die Mannschaft auftischt.

Als er den Entschluss fasst, für sein Team "Gulai kambing" zu kochen, ein indonesisches Currygericht mit dem Fleisch eines Ziegenböckchens, bringt er nicht das fertige Fleisch, sondern das lebendige Tier mit an Bord. Das tollt fortan munter auf dem Schiff herum, terrorisiert, entzückt und macht die Crew hungrig.

Neben dem nicht sehr brisant klingenden, aber durchaus unterhaltsamen Plot sind es vor allem die Beschreibungen des Meeres, die das Buch so fesselnd machen. Matrose Snoek, der an Bord der Texel regelmäßig Messungen für ein niederländisches meteorologisches Institut durchführen muss, führt nebenher auch ein Schattenbuch seiner Beobachtungen: "14.06. 21:00 West 4, See 0,7. Himmel: Sonnuntergang, Streifen Gold unter stahlblauen Wolken, höher wolkenlos. See: goldenes Flimmern auf Schieferblau." Wie beschreibt man etwas, das man jeden Tag sieht und doch immer ein wenig anders ausschaut.

Und als die Texel plötzlich von Nebel heimgesucht wird und zum einzigen Lichtpunkt für dutzende deutlich größere Tanker wird, spürt man als Leser die Hilflosigkeit eines Feuerschiffs in höchster Not.

Der Schiffskoch ist kein epochales Werk. Ein Mittel, um kurzzeitig den Traum eines Seebären zu leben, ist es aber allemal. (Thorben Pollerhof, 16.5.2021)