Bild nicht mehr verfügbar.

Natterers Sägesalmler, auch bekannt als Roter Piranha (Pygocentrus nattereri), tut sich als Unterwassersänger hervor.
Foto: REUTERS/Antonio Bronic

Von wegen "stumme Fische": Mit ihrer Schwimmblase haben Fische ein Organ, das sich auch für Lautäußerungen nutzen lässt. Besonders kommunikativ erweisen sich dabei einige Piranha-Arten, entsprechend komplex ist ihre Tonerzeugung: Die Raubfische verschaffen sich durch Vibrationen ihrer Schwimmblase Gehör, indem sie zwei Muskeln einsetzen, die ursprünglich einem völlig anderen Zweck gedient haben. Der Neurobiologe Boris Chagnaud (Universität Graz) ist gemeinsam mit Kollegen der Universität Lüttich den Ursprüngen der Fisch-Kommunikation in südamerikanischen Gewässern auf der Spur.

Eifriger Sänger

Viele Fische können eine Reihe von beabsichtigten Tönen erzeugen, um Partner zu umwerben, Warnsignale abzugeben, ihr Revier zu verteidigen oder den Zusammenhalt eines Schwarms zu sichern. Einige "singen" mit ihrer Schwimmblase – das gilt insbesondere für den Roten Piranha (Pygocentrus nattereri). Eine Kostprobe ihres "Geschmetters", das einem Froschquaken gleicht, findet man hier.

Diese bekannteste unter den rund 40 Piranha-Arten ist Objekt der Forschung des Neurobiologen Boris Chagnaud, der seit zweieinhalb Jahren am Institut für Biologie an der Universität Graz arbeitet. Er untersucht an den Raubfischen der tropischen Süßgewässer, wie die Evolution neuronale Netzwerke verändert, um neue Verhaltensmuster hervorzubringen.

Vermessene Schallmuskulatur

"Die Laute der Piranhas werden durch die Vibration der Schwimmblasenwand erzeugt, die durch die Kontraktion der bilateralen Schallmuskeln verursacht wird", erläuterte der Grazer Professor für Biologie in seiner jüngsten, gemeinsam mit seinen belgischen Kollegen im "Journal of Experimental Biology" publizierten Studie. Wie er aber auch weiß, diente das neuronale Netzwerk, das die lautproduzierenden Muskel durch Signale kontrolliert, in früheren Phasen der Evolution ausschließlich der Fortbewegung – dem Schwimmen.

Das Team hat die Aktivität des Bewegungsapparates als auch der Schallmuskulatur der Piranhas gemessen. Dabei kam die sogenannte Elektromyographie (EMG) zum Einsatz, bei der die Muskelaktivität anhand von elektrischen Aktionsströmen der Muskel erfasst wird: "Mit Hilfe der Elektromyographie haben wir erstmals die Aktivierungsmuster beider Schallmuskeln während der freiwilligen Schallerzeugung in Piranhas sowie die Aktivität der Bewegungsmuskeln beim Schwimmen aufgezeichnet", wie Chagnaud erläuterte.

Der "Gesang" der Piranhas.
Grafik: Uni Graz

Nervensystem im Umbau

Aus den Ergebnissen schließen die Forscher, dass sich im Laufe der Evolution neuronale Netzwerke für langsame, wechselweise durchgeführte Muskelkontraktion, die für die Fortbewegung notwendig sind, allmählich zu Netzwerken für eine sehr schnelle, gleichzeitige Anspannung von Muskeln veränderten.

Aus der Sicht der Studienautoren in drei Hauptmodifikationen: "Ein Übergang von einem bilateralen Wechsel zu einem synchronen Aktivierungsmuster der Muskel, zweitens einem Wechsel von einer langsamen zu einer hochfrequenten Regelung und drittens eine Erhöhung der Synchronität der Motoneuronen-Aktivierung, wie durch die großen und kurzen Aktivierungspotenziale in den EMG der Schallmuskeln gezeigt", wie sie in ihrer Studie resümierten. "Wir konnten zeigen, dass sich im Laufe der Evolution aus dem zentralen Nervensystem im Rückenmark eine eigene motorische Kontrolle herausgebildet hat, die für die Fähigkeit der Lauterzeugung verantwortlich ist", fasste Chagnaud zusammen.

Neuverdrahtung

Beobachtungen bei Wirbeltieren wie etwa Mäusen hätten laut den Autoren bereits gezeigt, dass kleine genetische Veränderungen (Genveränderung oder Unterdrückung) eine "Neuverdrahtung" neuronaler Verbindungen induzieren können, die für die Änderung des motorischen Verhaltens verantwortlich ist. Beispielsweise bewirkte bei Mäusen eine Modifikation der neuronalen Organisation von Spinalneuronen, die die Körpermittellinie kreuzen, anstatt auf der gleichen Körperseite zu bleiben, eine Verschiebung von einem alternierenden zu einem synchronen, hüpfenden Gang. Ähnliche Veränderungen könnten auch bei Piranhas aufgetreten sein, vermuten die Autoren. (red, APA, 21.5.2021)