Marktlokale wie dieses auf dem Wiener Naschmarkt blieben bisher in Lockdowns und an Sonntagen zu. Letzteres ändert sich nun.

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Wer sich an einem Sonntagvormittag auf die Suche nach einem Frühstück begab, wurde auf den Wiener Märkten nicht fündig. Und das schon vor den Lockdowns: Denn wie die Verkaufsstandeln waren auch die Marktlokale an Sonn- und Feiertagen stets geschlossen.

Das ändert sich nun. Denn mit der Öffnung der Lokale diese Woche tritt auch eine Reform der Regeln für die Wiener Märkte faktisch in Kraft: Künftig dürfen die dortigen Lokale auch am Sonntag Essen und Getränke servieren. Die konkreten Öffnungszeiten legen die jeweiligen Bezirksvorsteher fest. So darf auf dem Naschmarkt nun sonntags von zehn bis 21 Uhr bewirtet werden, auf dem Gersthofer Markt von neun bis 22 Uhr, dem Karmelitermarkt von neun bis 19 Uhr, dem Brunnenmarkt von neun bis 17 Uhr und dem Hannovermarkt von neun bis 16 Uhr. Ob und wie lange die Gastronomen aufsperren, bleibt ihnen im Rahmen des Wettbewerbs selbst überlassen.

Die Öffnung kann getrost als pinkes Prestigeprojekt bezeichnet werden, denn die Neos forderten die Liberalisierung der Marktordnung jahrelang vehement aus der Opposition heraus. Nun regieren sie in Wien gemeinsam mit der SPÖ. Und dass die Öffnung der Marktgastronomie an Sonntagen ins gemeinsame Regierungsprogramm muss, war aus Neos-Sicht von Anfang an klar. Die Umsetzung ließ nicht lange auf sich warten. Aber warum hat es überhaupt so lange gedauert (und die Neos in der Regierung gebraucht), um den Wienerinnen und Wienern den Lokalbesuch auf dem Markt auch am Sonntag zu ermöglichen?

Rot-pinker Kompromiss

"Wir entwickeln uns ja in vielen Bereichen weiter", sagt eine Sprecherin der zuständigen Stadträtin Ulrike Sima (SPÖ) dem STANDARD. Nun sei "die Zeit reif" für die Gastro-Öffnung am Sonntag gewesen, man habe "auf den Zeitgeist reagiert". Ein reines Neos-Projekt sei die Liberalisierung jedenfalls nicht, sie sei "ein gemeinsames Ding, da sind wir beide dahinter. Es geht ums Ergebnis", sagt die Sprecherin.

Markus Ornig, ihr marktpolitisches Vis-à-vis von den Neos, erklärt, man habe das Thema "wirklich intensiv verhandelt". Das überrascht nicht, sind sich Sima und Ornig doch vor der gemeinsamen Regierungszeit gerne öffentlich in die Haare gekommen. "Wir wollten es natürlich so liberal wie möglich haben", sagt Ornig. Das gelte für die gesamte Marktordnung, bei der noch einige Öffnungsschritte folgen sollen. Die Erlaubnis für die Gastronomie, auch sonntags aufzumachen, "ist ein schöner Kompromiss geworden", findet der pinke Gemeinderat.

Dass dieser Kompromiss nicht schon in den vergangenen zehn Jahren erzielt wurde, liegt wohl auch an der damaligen politischen Konstellation: Die letzten zwei Legislaturperioden hatte die SPÖ mit den Grünen regiert. Und die sind nicht so offensiv für eine Liberalisierung eingetreten wie die Neos nun – die Partei war in dieser Frage sogar eher gespalten.

Im Vordergrund stand für sie die Frage, wie man einen Markt Markt lassen kann. Da gehört die Gastronomie schon dazu, und sie könne auch eine gute Nebeneinkunft für Standler sowie Teil innovativer Konzepte sein. Gleichzeitig fürchtete man die Vernaschmarktisierung weiterer Nahversorger: Die Gastronomielokale auf dem Naschmarkt waren so attraktiv geworden, dass sie den klassischen Lebensmittelhandel faktisch zurückdrängten.

Wenig Lust auf Mitbewerb

Dazu kamen auch andere Überlegungen: Standler, die alleine arbeiten, brauchten den Ruhetag etwa, so die grüne Argumentation.

Und auf der roten Seite? Da wirkten wohl einerseits jene beharrenden Kräfte, denen in der Wiener Sozialdemokratie einiges an Einfluss nachgesagt wird. Ins Treffen gebracht wurden etwa höhere Verwaltungskosten durch die Öffnung am Sonntag, etwa für Straßenreinigung und Kontrolle. Hinzu kommen auch Interessen von (knapp) außerhalb der Marktwirtschaft: Angrenzende Lokale rund um den Naschmarkt oder den Yppenplatz etwa machen auch sonntags ein gutes Geschäft – und könnten wenig Lust auf neuen Mitbewerb haben. "Klar gibt es da immer wieder Debatten und unterschiedliche Interessen", sagt Simas Sprecherin dazu. Aber "das wird sich gut ausgehen".

Offiziell freuen sich nun jedenfalls alle darüber, dass man auch in Marktlokalen an Sonn- und Feiertagen Kaffee trinken und essen kann. Ihren Einstand feiert die neue Regelung am Wochenende übrigens gleich mit einer Doppelpremiere, weil der kommende Montag ein Feiertag ist. Einen Nachweis über Corona-Genesung, -Impfung oder ein aktuelles negatives Testergebnis braucht man übrigens auch dort. (Sebastian Fellner, 21.5.2021)