Gottfried Waldhäusl rechnet mit einem Freispruch.

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St. Pölten / Wien – Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat in Zusammenhang mit der Verlegung von jugendlichen Flüchtlingen in die Asylunterkunft Drasenhofen im November 2018 Anklage gegen den niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und eine Landesbeamtin erhoben. Vorgeworfen wird den beiden unter anderem Amtsmissbrauch, bestätigte eine Behördensprecherin am Freitag auf Anfrage einen ORF-NÖ-Bericht von Freitagvormittag. Waldhäusl rechnet mit einem Freispruch, betonte er in einer Stellungnahme. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Prozess wird am Landesgericht St. Pölten über die Bühne gehen. Einen Termin dafür gebe es noch nicht, berichtete der ORF NÖ. Der Strafrahmen im Fall eines Schuldspruchs betrage sechs Monate bis fünf Jahre, sagte WKStA-Sprecherin Elisabeth Täubl.

Würde wieder so handeln

Der Asyllandesrat zeigte sich laut APA "überzeugt, im Zuge der Verhandlung beweisen zu können, dass alles rechtens abgelaufen ist". Er habe damals "im Interesse der niederösterreichischen Bevölkerung und der Sicherheit der Menschen gehandelt", und er würde wieder so vorgehen, sagte er dem ORF Niederösterreich: "Ja, ich würde wieder so handeln müssen, wenn wir junge Männer haben, die straffällig sind und die wir nicht mehr versorgen können. Denn Tatsache ist, dass wir immer wieder Asylwerber haben, die wir aufgrund von Wegweisungen nicht mehr versorgen können, obwohl wir den gesetzlichen Auftrag dazu haben."

Einen Rücktritt schloss Waldhäusl dem Bericht zufolge aus: "Es gibt auch keinen Grund für einen Rücktritt. Ich kann meine Arbeit weiterhin ordentlich machen. Es wird in der Woche der Verhandlung genau zwei Tage geben, an denen ich weniger im Büro, sondern mehr bei Gericht bin, und damit ist das erledigt."

Mikl-Leitner: Unschuldig, solange nicht verurteilt

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) äußerte sich am Freitag in einem Statement zur Anklage gegen den Landesrat. Für ihn gelte die Unschuldsvermutung: "Wir leben in einem Rechtsstaat mit klaren Regeln, die für alle gleich gelten. Gerichte allein entscheiden, wer schuldig ist und wer nicht – bis dahin gilt jede Bürgerin und jeder Bürger als unschuldig. Das muss für alle Menschen in unserem Land gleichermaßen gelten. Auch wenn das manchen nicht gefallen mag – und auch für Politiker, deren Meinungen man nicht immer teilt."

Und im Falle einer Verurteilung? "Andere Voraussetzungen führen immer zu anderen Bewertungen, die wir vornehmen, wenn es so weit ist", teilte die niederösterreichische Volkspartei dem STANDARD auf Nachfrage mit.

Rücktrittsaufforderungen von SPÖ, Grünen und Neos

Ganz anders sieht das Niederösterreichs Sozialdemokratie. "Bei Anklage ist Rücktritt die einzige Option", sagte der rote Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar. "Was für Kurz und Blümel gilt, muss auch für den FPÖ-Landesrat gelten", forderte Kocevar ebenso wie SPÖ-Landesparteichef LHStv. Franz Schnabl auf Twitter.

Für Neos-Landessprecherin Indra Collini wurde mit der Anklageerhebung endgültig eine rote Linie überschritten. Waldhäusl könne nun "nicht schulterzuckend zur Tagesordnung übergehen" und weiter als Asyl-Landesrat fungieren. Mikl-Leitner müsse handeln.

Auch die grüne Landessprecherin Helga Krismer verlangte von der Landeshauptfrau, Waldhäusl wesentliche Agenden wie Flüchtlings- und Fremdenangelegenheiten, Grundversorgung und Koordination der Integrationsangelegenheiten zu entziehen. Zudem forderte Krismer Waldhäusl zum Rücktritt auf.

Der Rechtsanwalt Clemens Lahner, der einen der in Drasenhofen untergebrachten Asylwerber vertreten hat, sagte, er sei gespannt auf Waldhäusls Verteidigung. "Die gute Nachricht für Herrn Waldhäusl ist: Es gilt die Unschuldsvermutung. Die schlechte Nachricht ist: Auch der Rest des Strafgesetzbuches gilt, und zwar auch für ihn. Niemand steht über dem Gesetz." Wer ein "Privatgefängnis errichten und Jugendliche hinter Stacheldraht internieren möchte, der sollte sich vorher erkundigen, ob es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt", ansonsten riskiere man eben eine Anklage, sagt Lahner.

Flüchtlinge hinter Stacheldraht

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen 2019 nach einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien an die WKStA. Damaligen Angaben zufolge wurde dem FPÖ-Politiker und einer leitenden Landesbeamtin Amtsmissbrauch "im Sinne eines Freiheitsentzugs ohne entsprechende Rechtsgrundlage" angelastet.

Die Vorwürfe beziehen sich auf November 2018. Damals hatte Waldhäusl jugendliche Flüchtlinge hinter Stacheldraht in einem von Securitys bewachten Quartier in Drasenhofen unterbringen lassen, weil er ihnen vorwarf, "notorische Unruhestifter" zu sein. Nach heftiger Kritik wurde die Einrichtung im nördlichen Weinviertel an der Grenze zu Tschechien wenige Tage nach Verlegung der ersten Asylwerber wieder geschlossen. Erst vor kurzem hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Fall eines Flüchtlings entschieden, dass die Unterbringung in Drasenhofen rechtswidrig gewesen sei. (APA, 28.5.2021)