Die Relevanz der Leithammel bemisst sich an der Anzahl der Schäfchen

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Als Sache ist Herdenimmunität etwas Tolles, aber als Wort hat sie ihre Tücken. Nicht jede, nicht jeder gehört gern einer Herde an. Herde, das klingt animalisch, nach glotzäugiger Gefügigkeit.

Und doch scheint es so, als könnten viele eines Leithammels nicht entraten und fühlten sich in der Herde am geborgensten. Die Relevanz der Internet-Leithammel bemisst sich an der Anzahl der Schäfchen, die sie hinter sich versammeln. Andere finden ihr geistiges Auslangen damit, sich mittels landläufiger Schlagworte als korrekte Angehörige der einen oder anderen Herde erkennen zu geben. Ja es sollen sogar Regierungen existieren, in denen die strukturelle Gleichschaltung aller ihrer Mitglieder unabdingbar Part of the Game ist und jede eigenständige Äußerung als Hochverrat geahndet wird.

Nonkonformität der Antiherdisten

Dem steht eine lange Traditionsreihe von Antiherdisten gegenüber, die Wert auf Nonkonformität legen. Brecht machte sich über die Herde der Kälber lustig, die hinter der Trommel hermarschieren und das Fell für die Trommel selbst liefern. Baudelaire beschimpfte die Belgier als verächtliche Herde von "Domestikenseelen", Nietzsche schmähte die Christen als Herdenmenschen schlechthin usf.

Für Leute von diesem Schlag sollte man wohl tunlichst ein anderes Wort als "Herdenimmunität" erfinden, eines, das weniger animalisch, weniger nach Mäh und nach Bäh klingt. Zweckdienliche Vorschläge bitte gern an die nächste Gesundheitsbehörde. (Christoph Winder, 30.5.2021)