Kodiert in der Abfolge von vier Erbgutbasen lassen sich in DNA gigantische Datenmengen auf kleinstem Raum speichern – fälschungssicher und für sehr lange Zeit.
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Solange bekannt ist, dass die Erbinformation von Lebewesen in DNA-Molekülen codiert ist, so lange existiert auch die Idee, dass man dieses hochentwickelte biologische System für die Datenspeicherung in technischen Systemen verwenden könnte. So wie der Bauplan des Menschen in der Abfolge von vier DNA-Basen gespeichert ist – die in der Wissenschaft durch die Buchstaben A, C, G und T repräsentiert sind –, könnten auch beliebige andere Daten codiert werden.

Versuche dieser Art reichen zurück in die 1980er-Jahre, als der Künstler Joe Davis mit Harvard-Forschern mit im Vergleich einfachsten Mitteln ein 35 Bit großes Abbild einer germanischen Rune in die DNA eines Bakteriums codierte.

Im Jahr 2021 schaffen es Forschergruppen, etwa ein halbes Gigabyte in DNA zu schreiben. Die Größenordnung ist auch eine Geldfrage. Denn in DNA zu schreiben, also die entsprechenden Basenketten zu synthetisieren, ist teuer. Im Bereich sehr kleiner Datenmengen ist man dagegen bereits dabei, konkrete Anwendungen für DNA-Speicher zu entwickeln.

Eine davon ist eine Art Barcode, eine fälschungssichere Markierung für wertvolle Güter in Lieferketten. Edelsteine könnten mit haltbar gemachten DNA-Strukturen versetzt werden, um auf 100 Bit Zeugnis des Ursprungs zu geben. Eine andere Anwendung könnte in Fair-Trade-Baumwolle liegen, die per DNA-Partikel eindeutig zurückverfolgbar wird.

Durchbruch bei Haltbarkeit

Forschungsarbeit, die einen derartigen Einsatz von DNA-Speichern ermöglicht, wird an der ETH Zürich geleistet. Der Bregenzer Robert Grass und sein Schweizer Kollege Wendelin Stark haben dort ein wesentliches Problem in der Anwendbarkeit von DNA als Speichermedium gelöst – die Haltbarkeit. Denn ungeschützt im Laborglas lösen sich die mühevoll synthetisierten Basenketten nach wenigen Tagen auf.

Robert Grass (rechts) und Wendelin Stark arbeiten daran, DNA als Speichermedium zu etablieren. Erste Anwendungen sind in Reichweite.
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Die beiden Professoren für Chemieingenieurwesen gehören heuer zu den Finalisten des Europäischen Erfinderpreises, der am 17. Juni bei einer Onlineveranstaltung des Europäischen Patentamts (EPA) vergeben wird. Die Erfindung wird von zwei ihrer ehemaligen Doktoranden im Spin-off-Unternehmen Haelixa kommerzialisiert.

Fossiles Genmaterial

Vorbild für das Haltbarmachen der DNA-Stränge ist für das Forscherteam das Genmaterial in Fossilien, wo Fragmente wohl bis zu einer Million Jahre überdauern. "Anders als im Film "Jurassic Park" dargestellt, wird in der in Bernstein eingeschlossenen Fliege keine DNA konserviert", erklärt der 1979 geborene Grass, der auch selbst an der ETH studiert hat und bei seinem Kollegen Stark dissertierte. "Das Erbmaterial bleibt in Knochen über lange Zeit erhalten. Die Strukturen aus Kalziumphosphat zerfallen, schließen die organischen Reste ein und schützen sie vor Sauerstoff, Wasser und Licht. Im Prinzip wird die DNA von einem Stein ummantelt."

Grass’ und Starks Lösung kommt aus der Nanotechnologie. Sie entwickelten ein Verfahren, in dem Siliziumdioxid – ein wichtiger Bestandteil von Glas – eine bedeutende Rolle spielt. "Wir lassen aus Vorläufersubstanzen langsam eine Glasschicht rund um die DNA wachsen", sagt Grass. Der Vorgang gleicht der Polymerisation, bei der sich organische Verbindungen zu langkettigen Kunststoffmolekülen ordnen.

Langlebige Glaskügelchen

Die ETH-Forscher nutzen bei ihrem Verfahren die starke negative Ladung der DNA-Moleküle. Die Methode erinnert an Pflanzensamen, die enorm haltbar sind. Bei ihnen erreicht das Zellplasma durch die Austrocknung einen Glaszustand, der rückgängig gemacht werden kann. Bei Kontakt mit Wasser wird zudem fehlerhafte DNA repariert. "So gut wie die DNA in der Natur geschützt wird, würden wir das auch gerne können", sagt Grass dazu.

Auch die Glaskügelchen, die durch das Verfahren der Wissenschafter entstehen, sind enorm langlebig. Grass und sein Team haben errechnet, dass die DNA etwa 1000 Jahre erhalten bleibt. Um sie wieder zugänglich zu machen, können die Hüllen mit Fluoridlösung behandelt werden, die das Glas auflöst. Ein Trick könnte dafür sorgen, dass der Informationsspeicher immer wieder lesbar wird. "Die DNA wird auf die Oberfläche eines Glaskügelchens aufgebracht. Darüber lassen wir noch mehr Glas wachsen", erklärt Grass. Diese obere Schicht des "DNA-Sandwichs" rund um die Kugel könnte zum Lesen aufgelöst und danach neu aufgebracht werden.

Schwieriges DNA-Schreiben

Während das Sequenzieren und Lesen von DNA immer schneller und günstiger umgesetzt werden kann – mittlerweile gibt es Geräte in Größe von USB-Sticks, die die DNA-Stränge durch kleine Röhrchen schicken, um die Basenabfolge zu bestimmen –, ist das Schreiben noch sehr aufwendig, erläutert Grass. Sowohl die chemische Synthese als auch enzymatische Verfahren werden in absehbarer Zeit nicht in eine Datenspeichermaschine à la CD-Brenner zu verpacken sein.

Immerhin: Die Datenmengen, die erfolgreich in DNA codiert werden, steigen beständig. Im Jahr 2012 konnten zwei Forschungsgruppen praktisch gleichzeitig erfolgreiche Codierungs- und Leseverfahren zeigen. Die Gruppe des Harvard-Molekularbiologen George Church – hier war auch Speicherpionier Davis wieder mit dabei – schrieb damals ein Megabyte in DNA. Grass und Team speicherten 2018 eine 15 Megabyte große Version des Albums "Mezzanine" der Band Massive Attack medienwirksam in DNA ab, 2020 war es die erste Folge der Netflix-Serie "Biohackers" mit 100 Megabyte. Auch Microsoft und andere sind etwa in der Forschung engagiert und zeigten bereits noch größere Datenmengen.

Das Fernziel für Grass’ langlebige DNA-Speicher könnte eine enorm leistungsfähige Archivlösung sein. Bisherige Speichermöglichkeiten sind meist nur auf ein paar Jahrzehnte Haltbarkeit ausgerichtet. Schafft man es hier, die Speicherdichte der DNA zu nutzen, schrumpfen die Archive riesiger Datenzentren – auf weniger als Millimetergröße. (Alois Pumhösel, 11.6.2021)