Starre Arbeitszeitmodelle gehören für viele Beschäftigte der Vergangenheit an. Mehr als die Hälfte würde es mangels zeitlicher und räumlicher Flexibilität sogar erwägen, deshalb zu kündigen.

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Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt, Homeoffice und Videokonferenzen sind in vielen Organisationen plötzlich gelebter Alltag. Unternehmen, die sich mit diesen Entwicklungen schwertun, werden nach der Pandemie womöglich Probleme mit der Belegschaft bekommen: Einer Studie des Unternehmensberaters EY zufolge würde nämlich weltweit mehr als die Hälfte der Beschäftigten erwägen, den Job an den Nagel zu hängen, wenn künftig nicht flexiblere Arbeitsbedingungen angeboten werden als vor der Krise.

Konkret wünschen neun von zehn Arbeitnehmern mehr Flexibilität hinsichtlich des Orts und der Zeit ihrer erbrachten Leistung. Das ergibt eine Umfrage unter weltweit mehr als 16.000 Mitarbeitern aus verschiedenen Branchen in 16 Ländern. Wenn sie die Wahl hätten, würden sich 54 Prozent für mehr zeitliche Freiheit entscheiden, 40 Prozent für mehr Flexibilität beim Arbeitsort. Im Durchschnitt wollen sie zwei bis drei Tage pro Woche an einem anderen Ort als dem Büro arbeiten. Zum Vergleich: Nur 22 Prozent wollen, wie vor der Pandemie üblich, wieder jeden Arbeitstag dorthin pilgern. Zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, dass ihre Arbeitsleistung unabhängig vom Standort gleich bleibt.

Kampf um Top-Talente

Sollten ihre Wünsche beim Arbeitgeber kein Gehör finden, würden es 54 Prozent der Beschäftigten in Erwägung ziehen, deshalb den Job zu wechseln. Dabei sind Millennials wesentlich konsequenter als Babyboomer, sie würden doppelt so häufig den Arbeitsplatz bei Mangel an zeitlicher oder örtlicher Flexibilität aufgeben. "Flexibles Arbeiten ist die neue Währung, um Top-Talente zu gewinnen und zu halten", sagt EY-Österreich-Experte Oliver Suchocki. Die Covid-Pandemie habe gezeigt, dass Flexibilität sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber funktionieren kann. Einer anderen Erhebung der Beratungsfirma PwC zufolge ist jungen Arbeitnehmern im Alter von 16 und 28 in Österreich flexibles Arbeiten sogar wichtiger als das Grundgehalt.

Zwar nicht alle, aber die meisten Unternehmen sind auch bereit, diese Entwicklung zu flexibleren Arbeitsmodellen mitzutragen. Gemäß dem globalen Arbeitsmarktbarometer des Personaldienstleisters Manpower Group wollen 37 Prozent der befragten Firmen eine Mischung aus Remote Work und Arbeit im Büro anbieten, 54 Prozent planen, Gleitzeitmodelle mit flexiblen Start- und Endzeiten einzusetzen. Kurzfristig geht etwa ein Viertel der Arbeitgeber davon aus, dass die Mehrheit ihrer Beschäftigten in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiterhin zum Teil im Homeoffice bleiben wird.

Folgen für Firmenkultur

Laut dem Manpower-Bericht haben 28 Prozent der befragten Arbeitgeber keinerlei Bedenken im Zusammenhang mit Remote-Arbeit. Am häufigsten, nämlich von 27 Prozent, wird jedoch befürchtet, dass die Unternehmenskultur darunter leiden könnte. Der EY-Umfrage zufolge sind die Mitarbeiter der Ansicht, dass sich die Firmenkultur während der Pandemie zum Besseren gewandelt hat, 31 Prozent sehen die Entwicklung jedoch gegenteilig.

Zu den Berufsgruppen, die der EY-Umfrage zufolge trotz mangelnder zeitlicher oder räumlicher Flexibilität am ehesten ihren Arbeitsplatz wechseln würden, gehören Manager und Führungskräfte, Mitarbeitende mit Technologie- oder Finanzaufgaben sowie Pflegekräfte. Zu denjenigen, die dennoch in ihrer aktuellen Position bleiben würden, zählen Personen mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren sowie Arbeitnehmer, die in der Verwaltung oder im Bildungswesen tätig sind. (Alexander Hahn, 14.6.2021)